Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

357 Der Kreuzhof. Erzählung von Henriette Brey. In rotgoldener Herbstpracht standen feierstill die Wälder. Lächelten in letzter Reifeschönheit und atmeten geruhig, wie nach schwerem Werk. Kein Zweiglein regte sich. Die treue Erde hatte königlich und gebefroh all ihren Reichtum verschenkt * * nun war sie müde, so übermüde, schaffensmatt, und möchte ausruhen. Ein sonniger Spätherbstnachmittag. In der Luft der herbe Rauch von welken¬ dem Kartoffelkraut und frisch umgebrochener Ackerscholle. Marienfäden flogen, schillerten seidig, hängten sich an Baum und Strauch und Geranke. Hoch oben in der klarblauen Luft ein Zug Kraniche, der gen Süden segelte. Fern aus dem Dorf her Singen und Jauchzen froher Kinder: Krune Krane Witte Schwane, Wollen gern nach England fahren, England ist geschlossen, Der Schlüssel ist zerbrochen, Krune Krane Auf den Felderndes Kreuzhofes schaffte das Gesinde eifrig an der Kartoffel¬ ernte. Zwei mächtige Ardennengäule waren vor den Pflug gespannt, der die Kartoffeln aus derErde brach, denn es war schwerer Boden und der Ertrag reichlich. Mägde und Taglöhnerinnen hasteten tiefgebückt hinterher und lasen die gelben, erdbehafteten Knollen in große Körbe ... eifrig bemüht, den Abstand zwischen sich und dem Pflug nicht größer werden zu lassen. Seitwärts am Rain standen die Karren. Der alte Gilbert, der Großknecht. leerte mit Hilfe des „Eggjungen“ die gefüllten Körbe, welche die Frauen keuchend heranschleppten, darin aus. Als die zweite Karre gefüllt war, richtete Gilbert sich empor. Ein kleines Weilchen verschnaufen mußte er! Der alte Rücken wurde steif. Er steckte das Pfeifchen an, das ihm ausgegangen war und schaute wohlgefällig über die weithin sich dehnenden Ackerbreiten und Wiesen des Kreuzhofes. Ein stolzer Besitz! Der schönste und stattlichste der Gegend! „Aber ein Herr müßt' bald auf den Hof!“ brummte der Alte. „Ich kann nicht überall zum Rechten sehen. Werd' alt. Ist nun schon zwei Jahre, seit der Bauer sojäh am Schlaganfall starb. Die Christel ist auch gar zu wählerisch.“ Wohl kamen Freier genug auf den Hof, „deftige“ Bauernsöhne des Kirchspiels und manchen von ihnen war es wohl ebenso sehr um das jungfrische blonde Mädchen, als um den Hof zu tun . .. Aber seitdem die gutmütige Bäuerin, die ihrem einzigen Kind allen Willen tat, die Christine auf ein Jahr in eine städtische Bildungsanstalt geschickt hatte, war „der Hochmutsteufel“, wie der alte Gilbert insgeheim schalt, in das Mädel gefahren. Keiner der Bewerber war ihr gut genug. Sie hatte an allen was zu kritisieren und zu verspotten Nun, sie würde wohl bald zu Verstand kommen! War doch im Grunde ein gutes Kind, meinte Gilbert. Wenn nur erst der Rechte kommt! Er war schon mehr als zwanzig Jahre auf dem Hof, hatte Christel noch auf denArmen getragen. Sie waren immer gute Kameraden gewesen: Wie spät mochte es sein? Gilbert sah nach der Sonne, die schon ziemlich schräg stand. Dabei schweifte sein Blick an den Feldern des Kreuzhofes vorbei die Heer¬ straße entlang, die am Dorf vorüber zum nächsten Höhenzug und jenseits ins Wallonenland führte. Er legte die Hand über die Augen. Da, was war denn das für einer, der dort eben von der Heerstraße abbog und diesen Weg entlang geritten kam? Kein Hiesiger, denn Gilbert kannte jeden Bauernburschen ringsum. Eher ein Städtischer! Wie der im Sattel saß! Fein! Hatte mindestens bei der Kavallerie gedient.

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