Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1932

352 von Windischgarsten. Nach dem Tode des Stadtpfarrers Johann Aichinger be¬ rief ihn Bischof Doppelbauer als Stadtpfarrer nach Steyr. Nun entfaltete der neue Herr Stadtpfarrer gleich eine rege Tätigkeit zur Verschönerung der Stadtpfarr¬ kirche. Erst der Krieg machte der Weiterarbeit ein Ende. Denn nun traten andere Aufgaben an ihn heran. Der Krieg forderte auch von der Stadtpfarrkirche das Opfer der vier größten Glocken. Im Stadtpfarrhof stellte der Herr Stadtpfarrer zwei große Räume durch vier Jahre dem „Roten Kreuz“ zur Verfügung. Als in der Nachkriegszeit die Wogen der Auf¬ regung hoch gingen, blieb ihm, obwohl er sich großer Beliebtheit erfreute, das Schicksal der Plünderung nicht erspart. Auch der Vorabend eines Fronleichnamstages ist noch in trau¬ riger Erinnerung. Aber es ist anzunehmen daß sein Einfluß und sein Ansehen doch beide Male noch Aergeres verhüteten. Als nach dem Kriege verschiedene Organisationen der Katholiken ins Leben traten, wie die Katho¬ lische Frauenorganisation, die „Frohe Ju¬ gend“, und als sich die Privatschulen zu ent¬ wickeln begannen, nahm er an allem regen Anteil. Durch die Jahre seines Wirkens hatte er ein wachsames Auge auf die Vereine der Pfarrei und wandte besonders den Vereinen der arbeitenden Stände sein Augenmerk zu. Schon als Kooperator war er Feldpater des Bürgerkorps. Er behält dieses Amt auch im Ruhestande bei. In der langen Zeit der Steyrer Wirksamkeit war er mehrmals Zeuge des wirtschaftlichen Aufstieges, aber auch des wirtschaftlichen Niederganges der Stadt. Be¬ sonders die große Not, die infolge der Ar¬ beitslosigkeit eintrat, ging ihm stets zu Herzen. Seelsorglich gleich rastlos hat er fünf Diözesanbischöfen gedient. In Steyr elbst ist er der weitaus am längsten wirkende Priester. In diesen Jahrzehnten hat er auf viele Tausende seinen seelsorglichen Einfluß ausgeübt. Von vielen jetzt Lebenden sind es die Eltern und Großeltern, die er schon ge¬ kannt hat. Er hat seelsorglich auch viele Freuden erlebt. In den letzten Jahren aber bildete die Abfallsbewegung, wie auch sein Abschiedsschreiben im Pfarrblatt erkennen läßt, den Gegenstand großer Sorge und großer Schmerzen, die seine Seele bedrückten. Anderseits aber sieht er zu seinem Troste, daß in der Gegenwart die „Katholische Aktion alle Kräfte der Katholiken zu sammeln be¬ ginnt, um neue Wege der Seelsorge zu be¬ chreiten und alle Kräfte der Katholiken zu seelsorglichem Wirken auszunützen. Viel ist in der langen Zeit der Wirksam¬ keit des Herrn Stadtpfarrers Strobl vorüber¬ gegangen, viel hat sich geändert, seit das Le¬ ben des hochw. Herrn Kanonikus mit dem Wohl und Wehe der Stadt Steyr verknüpft war. Unverändert aber bleibt seine Anhäng¬ lichkeit, seine Liebe zu den Katholiken der Stadt. Am Österdienstag, den 7. April, fand in den Brauhaussälen ein Pfarrabschiedsabend für Hochwürden Herrn Kanonikus statt. Die Veranstaltung war eine erhebende Dankes¬ kundgebung der Katholiken Steyrs an ihren Die Räume 2 hochverdienten Stadtpfarrer. waren bis zum Erdrücken voll. Es hatten sich auch die Spitzen der Behörden und der Ge¬ sellschaft eingefunden. Bei diesem Festabend wirkten mit: Die Bürgerkorpskapelle, der „Christlich=deutsche Gesangverein, die „Frohe Jugend“, der Reichsbund der kath. deutschen „Eisen¬ Jugend, die Jungmädchengruppe blüte, die St. Georgspfadfinder, die kath. Studenten= und Studentinnenvereinigungen „Der Turm“ und „Die Getreuen“ und der Kath. Gesellenverein. Für den hochwürdigen Klerus sprach Hochwürden Dechant Vor¬ tadtpfarrer Alois Schließleder, der hervorhob, daß Hochw. Herr Kanonikus einen Mitbrüdern immer ein Vorbild war. Für die Laien sprach Herr Landtagsabgeord¬ neter Bürgermeister=Stellvertreter Professor Dr. Messenböck, der von der Gemeinde¬ vertretung beauftragt war, Herrn Kanonikus als Zeichen der dankbaren Anerkennung der eitens der 1 ozial=charitativen Verdienste Stadtgemeinde Steyr die goldene Pla¬ kette der Stadt Steyr zu überreichen. Das Magistratspräsidium hatte folgendes Schreiben gesandt: „Der Stadtrat hat in seiner Sitzung vom 3. April folgenden Beschluß ge¬ faßt: Herrn Kanonikus, Stadtpfarrer Johann Strobl wird über Antrag der Fürsorgeräte¬ versammlung vom 23. Marz die wärmste An¬ — erkennung für seine vieljährige Tatigkeit auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge der herzlichste Dank der Gemeindevertretung aus¬ gesprochen und beschlossen, ihm die goldene Plakette der Stadt Steyr zu überreichen. Der Bürgermeister wird ersucht, die nötigen Schritte zu unternehmen, um beim Herrn Bundespräsidenten eine entsprechende Aus¬ zeichnung für Herrn Kanonikus zu erwirken. Herr Vizebürgermeister Dr. Messenböck wird die goldene Plakette überreichen. Der Bürger¬ Im meister=Stellvertreter Rußmann“ des Namen der vielen ehemaligen Schüler Be¬ Herrn Gefeierten brachte Regierungsrat zirksschulinspektor Molterer von Wels Hochw. Herr — den Dank zum Ausdruck. Kanonikus verwies in seiner Dankesan¬ prache, daß er bereits 57 Jahre Priester sei und während dieser ganzen Zeit in der Seel¬ orge stehe, darunter allein in Steyr zehn Jahre als Kooperator an der Vorstadtpfarre, 35 Jahre als Stadtpfarrer. Viel Gutes habe in Steyr während dieser Zeit geschehen können, zustandegebracht besonders auch mit Hilfe der allseitigen Unterstützung der Pfarr¬ bevölkerung, der dafür herzlicher Dank ge¬ bühre.

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