381 Josef Grauthoff, der Freund ihrer Kindheit, war tot. Gott im Himmel, war das die Lösung? Nein, nein, das hatte sie nicht gemeint, nicht gewollt! War etwa sie mit ihrem ungestümen Beten die Ver¬ anlassung? Schuld an seinem Tod? Josef, Josef, du Armer! Doch nein, so konnte es nicht sein. Nicht ihretwegen war der arme Josef gefallen — sondern einfach, wie ungezählte andere, war er ein Opfer für die Heimat! Mit weinenden Augen las Elisabeth den Brief seines Kameraden zu Ende. Josef Grauthoff hatte mit mehreren andern die tollkühne Aufgabe übernommen, im Schutz der Dunkelheit sich nahe an den Feind zu schleichen, um eine wichtige Brücke in die Luft zu sprengen. Das Wagnis gelang. Unentdeckt waren alle von ihrem gefährlichen Weg zurückgekommen — und erhielten am folgenden Tage das Eiserne Kreuz! In freudigem Stolz schrieb Josef das seiner „Braut“, wie er sagte. Da traf ihn zwei Tage später eine feindliche Kugel mitten in die Brust. Wir trugen ihn in eine zerschossene Kapelle und legten ihn auf den Boden, so daß er auf den Altar sehen konnte. Ein Marienbild stand darauf. Es war der 8. Dezember, und Josef flüsterte mühsam: „Ich sterbe gern. Es ist besser so. Heute ist das Fest der Unbefleckten Empfängnis: die Muttergottes will mich in den Himmel haben.“ Er hatte, wie viele von uns, tags zuvor gebeichtet. Dann bat er mich noch, Ihnen seine letzten Grüße zu schreiben. Im Himmel wolle er auf Sie warten. Sie möchten für ihn beten. Er sagte nach einer Weile auch noch: „Die Muttergottes will uns beide für sich haben!“ Wir beteten bei ihm. Er starb ganz ruhig. Wir aber mußten noch in derselben Nacht weitermarschieren, und ich kam erst heute zum Schreiben, so daß dieser Brief sich sehr verzögert hat. Rechts neben dem Kapellchen haben wir ihn begraben ... Der Brief sank Elisabeth in den Schoß. Sie weinte erschüttert. Am Feste der Unbefleckten Empfängnis hatte Maria ihn gerufen! In ihrer Kapelle war er gestorben. Welch ein trostvoller Tod! Nur — erregt fuhr sie auf, mit schnellem Herzschlag: dann war er ja schon tot gewesen, als sie die Nachricht von seinem Eisernen Kreuz erhielt! Denn das war am 10. Dezember gewesen! Dann hatte die Muttergottes schon alle Schwierigkeiten gelöst, ehe noch Elisabeth darum gefleht hatte! Und Elisabeth brauchte sich nicht zu quälen, als hätte ihr Gebet den Freund in den Tod geschickt. Erlöst atmete sie auf. Ja, so war es für sie beide am besten! Der getreue Josef tauschte für die irdische Heimat und ein kurzes Erdenglück die ewige ein, mit der Fülle aller Beseligungen am Herzen Gottes. Und sie selbst gehörte nun Gott für immer an. „Mutter, nun ist der Weg zum Heiligtum deines Sohnes frei! Das letzte Erdenband zerschnitten! Herr, ich komme! ... Ecce venio!“ Für Elisabeth Olten hatte bald die Klosterpforte sich aufgetan. Als Schwester Celesta hatte sie Glück und tiefstes Genügen zu Füßen des Herrn gefunden. Das Andenken an den toten Freund nahm sie mit. Und sein Name lebte in ihren Gebeten fort, Jahre und Jahre — bis sein Bild blasser wurde undzu verlöschen drohte. Schwester Celesta ließ jetzt die Hände sinken und schaute in die mütterlich ernsten Augen Marias. In ihren eigenen Augen standen Tränen. „War es
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2