Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1931

379 Ein heftiges Ringen hatte begonnen: denn etwas in ihr wehrte sich der geheimen Stimme, wollte aus andern Quellen trinken, aus erdensüßen, be¬ rauschenden. Durch dunkle Nächte trug Elisabeth ihr Zweifeln und Ringen. Und wußte doch im tiefsten Grunde ihres Herzens: nicht eher würde sie Frieden finden, bis sie alles Irdische aus den Händen gleiten ließ und die Arme breitete: „Ecce venio! Siehe, Herr, da bin ich!“ Als Elisabeth an dieser Erkenntnis endlich nicht mehr rütteln konnte, da hatte sie alle Fäserlein, die noch wurzeln wollten im irdischen Erdreich, los¬ gerissen. Und hatte sich entschlossen, der Schwelle des Heiligtums zugewandt, die sie bald zu überschreiten hoffte. Nur — daß zwei Augen um sie weinen würden! .. Die Sonne war jetzt ertrunken in den roten Wellen, aber ein letztes Aufflackern brach noch leuchtend hervor und fiel schräg durch das Zimmer bis in die Ecke, wo eine Statue der Unbefleckten zwischen Rosen stand, und schleierte sie in flüssiges Gold. Elisabeth Olten trat herzu und faltete die Hände. „Reinste Jungfrau, flüstertesie, „du mußt mir helfen. Nimm meine Hände in deine — und halte sie fest, wenn sie sich lockern wollen. Und führe mich deinem Sohn entgegen.“ Einen Tag später saß Elisabeth Olten auf derselben Stelle am Fenster. Aber heute waren auch ihre Augen gerötet: Josef Grauthoff war zum letzten¬ — und sie mußte ihm den letzten Stern auslöschen. mal bei ihr „Ich kann nicht, Josef! Sei nicht so traurig. Dränge mich nicht mehr. Du weißt, daß mein Entschluß fest steht. „So soll ich ohne Trost ins Feld gehen?“ stöhnte der junge Mann und preßte die Lippen in heftigem Schmerz. „Elisabeth, immer bin ich allein ge¬ wesen, einsam wie du, immer habe ich auf dich gewartet — sieben Jahre hab nein, du kannst ich um dich geworben, wie Jakob um Rachel. Und nun nicht unerbittlich bleiben. Meine Liebe muß dir deine wecken. Elisabeth, Man sagt, schweren Herzens ziehe ich hinaus — vielleicht in den Tod ... es würde da draußen ein fürchterliches Morden. Vielleicht trifft mich eine — O Elisabeth,“ heißes Bitten lag in Kugel. Sollte ich aber wiederkehren seinen Augen, er preßte ihre Hand, „laß mir wenigstens die Hoffnung, dich dann mein Weib nennen zu dürfen! Dann wäre mir das Scheiden nicht so bitter.“ Sie schwieg, tief erblaßt. O Gott, wie schwer war es. Hart war es, ihm zu widerstehen! „Elisabeth, laß mich nicht ohne Trost scheiden,“ kam noch einmal dumpf seine Stimme. Sie schüttelte stumm den Kopf, keines Wortes mächtig, fast erliegend vor Schmerz, und entzog ihm sanft ihre Hand. Da kehrte er sich ab und ging langsam, schwerfällig der Tür zu. Er biß die Zähne zusammen, sein Gesicht war wie versteinert in Verzweiflung. Auf der Schwelle wandte er sich noch einmal um mit einem Blick, den Eli¬ sabeth nie vergessen würde — sah sie an . . . sah sie an. Da überwältigte sie das Mitleid. Konnte sie den treuen Menschen ohne Trost gehen lassen — in dieser Zeit? Ohne an Tragweite ihrer Worte zu denken, nur dem augenblicklichen Drang ihres zwiegespaltenen Herzens nach¬ * gebend, tat sie einen Schritt auf ihn zu, sagte leise: „Josef — ich will Falls du mit dem — Eisernen Kreuz heimkehrst . .. will ich die Deine sein.“

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