Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1931

8 369 Getreu bis in den Tod. Eine Markyrergeschichte. Wann hatte das kleine Pyrenäenstädtchen Orthez einen so blutigen Tag gesehen, wie den frühlingsschönen Maientag, an dem die Rotte der Gottes¬ schänder in seinen Frieden einbrach und ihre entsetzlichen Greuel trieb? Es war die böse Zeit, in der die kalvinistischen Hugenotten am Lande wüteten und Schrecken und Grauen verbreiteten, wohin sie kamen. Anmutig in ein grünes Tal gebettet, das von der reißenden, silberklaren Gave durchströmt wurde, lag das reizende Städtchen. Ein wenig außerhalb ragte ein Kloster zum heiligen Franziskus, dicht am Flusse gelegen, der seine Mauern bespülte. Fromme Kapuziner dienten hier dem Herrn und wirkten segensreich im Volke, von allen geachtet und geliebt. Mit banger Sorge schauten die Ordensbrüder in die kommenden Tage. Drang doch die Kunde entsetzlicher Greuel und Bluttaten der Hugenotten überall hin. „Ob die Frevler auch zu uns den Weg finden?“ meinte sorgen¬ voll der greise Pater Udo. „Was wird dann unser Los sein? „Was „Mögen sie kommen,“ rief der feurige junge Pater Vigilius. könnte uns Besseres geschehen, als um des Glaubens willen den glorreichen Martyrertod zu sterben und die Siegeskrone zu erlangen? Nichts soll uns trennen von der Liebe Christi, weder Hunger, noch Durst, noch Feuer, noch Schwert! Sein bleiches Gesicht leuchtete in heiligem Feuer. Die anderen Mönche stimmten teils freudig zu, teils schwiegen sie und schauten nur ernst und vertrauensvoll auf das große Kreuzbild an der Wand. Aber in allen Blicken stand der feste Entschluß, dem Herrn die Treue bis zum Tode zu bewahren. „Gott möge uns in seinen gnädigen Schutz nehmen,“ sagte ernst Pater Adalbert, der Guardian des Klosters. „Wir sind wie eine Herde wehrloser Schafe, die jeden Augenblick von Wölfen überfallen werden können. Aber fürchtet euch nicht, meine Brüder! Gott ist mächtig genug, uns zu beschützen, wenn er will. Haben wir ihn nicht im heiligsten Sakramente mitten unter uns? Essen wir nicht alle Tage das „Brot der Starken“? „Wenn ich auch wandle mitten im Todesschatten, will ich nichts fürchten, denn du, o Herr, bist bei mir!“ Sollte Gott aber das Opfer unseres Lebens fordern, so wollen wir ihm freudig zurückgeben, was sein ist. Wir wollen unser Leben dafür einsetzen, daß die Gottlosen ihn im heiligsten Sakrament nicht schänden. Bis — Und nun geht ruhig an zum letzten Hauche wollen wir ihm getreu sein. eure Arbeit, meine Brüder, jeder an seinen Posten. Ob in friedlichen oder bangen Tagen, wir müssen jeden Augenblick unsere Pflicht tun. Die Brüder neigten das Haupt, und nach gemeinsamen Gebeten gingen sie ruhigen Angesichts an ihre Beschäftigung. Der Guardian, Pater Adalbert, aber stieg auf die Altane des Klosters und schaute auf das friedlich liegende Städtchen, und schaute die weißen Wege, talauf, talab — nichts Beunruhigendes war zu sehen. Dennoch war es dem Pater beklommen ums Herz. Seufzend stieg er hinab. „Herr, beschütze, die auf dich hoffen,“ murmelte er. „Aber wenn die Feinde wirklich kämen, was könnten wir tun? Wir sind ja wehrlos. Herr, dein Wille geschehe!" Der Tag sollte nicht zu Ende gehen, ohne daß die Sonne blutrot ihr Antlitz verhüllte. 24

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