Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1931

363 „Herr Ritter, Ihr kamt unangesagt und spät,“ sagte sanft der Abt. „Hätten wir geahnt, daß Ihr kommt, solltet Ihr wahrlich nicht zu klagen gehabt haben. Ihr müßt uns daher diesmal entschuldigen.“ „Warmen Braten will ich,“ schrie der Ritter jetzt erbost und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß es klirrte. „Habt Ihr wohl gehört, Herr Abt?“ „Aber Hartneid,“ wollte die Ehefrau ihm wehren. „Schweig!“ herrschte der Losensteiner seine Gattin an und trank aber¬ mals den mächtigen Pokal zur Neige. „Was soll das Zieren seitens des Abtes? Wenn ich auch manch' Hühnchen mit dem Kloster zu pflücken habe, bin ich nicht Gast hier und ein edler Gast? Und haben nicht meine Ahnen Kloster schon den Braten geschenkt, den ich jetzt warm haben will? dem „Gewiß, gewiß, Herr Ritter,“ beeilte sich der Abt zu sagen, der seine Lage drohend fand, „allein bedenkt doch, daß es augenblicklich schwer hält, Euren Wunsch zu befriedigen! Wollt Ihr und Eure edle Frau Euch nur ein kleines Stündchen gedulden, so soll Euer Begehren erfüllt werden.“ „Gewiß wollen wir ein Stündchen warten,“ sagte die Edelfrau und legte ihre Hand auf ihres Gatten Schulter. „Mein Gemahl sieht es ja selbst ein „Nichts sieht er ein,“ schrie der Losensteiner, erhitzt von dem rasch ge¬ nossenen Weine und sprang ungestüm von seinem Sitze auf. „Gar nichts sehe ich ein, als daß ich in Eurem Kloster nicht gerne gesehen bin und daß man mir kalte Speisen vorstellt, damit ich das Wiederkommen vergesse! Aber Ihr habt falsch gerechnet! Herr Abt, grundfalsch! Gottes Blitz! Ich 41 will Euch den Braten wärmen, daß Ihr die Mäuler Euch dran verbrennen sollt! Komm!“ Und er nahm seine überraschte Gemahlin an der Hand und zog sie hinter „4 sich aus dem Saale. Bestürzt und lautlos standen der Abt und die Mönche da. Aber schon im nächsten Augenblicke erscholl des Losensteiners heiseres Fluchen im Klosterhof, die Pferde wurden herbeigeführt und der Ritter hob seine Gemahlin auf den Zelter. „Wohin willst Du so plötzlich, Hartneid?“ frug diese dabei, erstaunt über ihres Gatten Beginnen. „Das Mittagmahl will ich wärmen,“ schrie der Losensteiner im Auf¬ sitzen, „das Mittagmahl wärmen! Gottes Zorn über diese geizigen Pfaffen! Holla! Gute Mahlzeit, Herr Abt!“ und er lachte dem Abt, der im Klosterhof erschienen war, um seinen Gast zu beruhigen, höhnisch zu, gab seinem Renner die spitzen Dorne in die Weichen, daß sich das edle Tier hoch aufbäumte, und jagte aus dem Kloster, gefolgt von seiner entsetzten Gattin und dem halbtrunkenen lärmenden Gefolge. „Um Gotteswillen, was wird der Unhold tun?“ frug händeringend der Prior, der neben dem Abte stand und wie dieser dem abziehenden Reiter¬ trupp nachsah. „Irgend etwas Böses,“ gab der Abt Nikolaus mit wehmütigem Ernst — er ist ein gar gewalttätiger zur Antwort. „Ich kenne den Losensteiner Herr! Gott schütze uns vor seiner Bosheit!“ * Die Klosterbewohner sollten darüber bald im Klaren sein, was der Ritter von Losenstein im Sinne hatte. Als derselbe das Kloster verließ, sandte die scheidende Sonne eben ihre letzten Strahlen in das reizende Enns¬ tal und hüllte alles in eine Flut von Licht. Leise murmelnd floß die Enns

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