361 Ritter Hartneid. (Ein Bild aus Garstens Vergangenheit.) Von L. R. Im Jahre 1371 stand dort, wo heute „Halbgarsten“ ist, an ungefähr der Stelle, wo sich das Gasthaus Kozak befindet, ein großer ausgedehnter Meier¬ hof, der dem Kloster in Garsten gehörte und dessen Betrieb ein großes Er¬ trägnis lieferte. Es war eine Musterwirtschaft, wie man das heute nennen würde, und die geistlichen Herren in Garsten waren auch stolz darauf und führten mit Vorliebe jeden vornehmen Besucher dorthin. In jener Zeit, wo das Rittertum noch im kräftigsten Gedeihen war und der Adelige nur Schwert und Lanze führte, der Erwerb daher nur von diesen Dingen aus seinen Anfang nahm, machte aber der Besitz dieses Meier¬ hofes nicht nur Freude, sondern auch Sorgen, denn der umwohnende Adel sah mit scheelen Augen das Anwachsen des klösterlichen Wohlstandes und auf diesen Meierhof hatten es gar viele abgesehen. Der Hauptfeind wider das Kloster war damals der Ritter Hartneid von Losenstein, ein tapferer, aber auch gewalttätiger Herr, der seine Macht nicht immer auf die ehrsamste Weise verwertete. Seine und des Klosters Güter 10 grenzten aneinander und manches strittige Stück Land eignete sich der Losen¬ steiner mit dem Schwerte in der Faust an — das Kloster gab dann nach, und um den störrigen Nachbar bei guter Laune zu erhalten, wurden dem¬ selben, wenn er das Garstener Gebiet betrat, alle Aufmerksamkeiten erwiesen, die seinem Range zukamen. Trotzdem herrschte zwischen dem Losensteiner und den Garstner Mönchen eine Freundschaft auf Kündigung. — Der Ritter vergaß aber oft auf das Kündigen und ließ seinem Uebermut freien Lauf, wann es ihm eben in den Sinn kam. — Der Abt Nikolaus von Garsten hatte am Maria Geburtstage 5. 1371 eben die Tafel aufgehoben und der jüngste der Conventualen sprach gerade das Gebet nach Mahlzeit, als über die knarrend herabgelassene Zug¬ brücke des Klosters ein Reitertrupp daherstürmte, mitten in den Klosterhof hinein. Unwillig über diese Störung erhob der Abt den Kopf, mit einem befeh¬ lenden Blick gab er einem der Mönche ein Zeichen, daß er nachsehen sollte, was diese Störung bedeute. Der so Aufgeforderte entfernte sich denn auch so geräuschlos als möglich, um die Andacht nicht zu stören, und kam eben zurück, als der junge Kleriker sein Gebet geendet. Mit fragendem Blick und Geberde wandte sich der Abt an ihn. „Der Ritter Hartneid von Losenstein ist samt Gemahlin und einem großen Gefolge soeben angekommen,“ sagte der Mönch mit einer Miene, die deutlich bewies, daß er darüber unruhig war. „Er begehrt bewirtet zu werden.“ „Garsten hat noch keinem Gaste seine Türe verschlossen,“ unterbrach der Abt den Pater ruhig, „Bruder Prior, führt den edlen Herrn samt Gemahlin hieher, und Ihr, Pater Klemens, begebt Euch in die Küche und trachtet Speise und Trank herbeizuschaffen.“ Die so Beauftragten beeilten sich, den Befehlen des Abtes nachzu¬ kommen, allein in der Saaltür stießen sie bereits auf den Ritter von Losen¬
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