Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1930

383 „So recht,“ schmunzelte Baron von der Heiden, „auf die Färbung kommt's nicht an. Aber nun schießen Sie endlich einmal los, mein Bester!" Der Kandidat legte sich behaglich zurück. „Gut denn, da die Herren mich drängen. Aber ich bitte im voraus, sich nichtbeleidigt zu fühlen. Es ist eben ein Traum. „Selbstverständlich nicht. Wieso denn? Träume sind Schäume,“ wieder¬ holteder Herr Pfarrer. „Nun also. Mir träumte, ich war im Himmel.“ „Sehr erfreulich für Sie. Das brauchte Ihnen doch kein Alpdrücken zu machen! „Hören Sie nun weiter. Also ich war im Himmel. Mit Paulus muß ich sagen: Ob in dem Leibe, ob außer dem Leibe, ich weiß es nicht. Genug, ich weilte in den Gefilden der Seligen und wandelte voll Entzücken und Freude umher. Psalmengesänge und Jubelhymnen schallten in wundersamen Akkorden durch die diamantenen Hallen. Unaussprechliches, Unfaßbares schauten meine lichtgeblendeten Augen. Unmöglich, all die Schönheit zu schildern, das Glanzgewoge und die Seligkeit der Verklärten. Kennen Sie Dante? Ich möchte seine Wortgewalt haben, um würdig * „Dante? Wir katholischen Geistlichen sollten unsern katholischen Dante nichtkennen? Aber, Herr Konfrater!!“ „Katholischen Dante? ... Hm. Na ja.“ „Selbstverständlich katholischen Dante!“ betonte Kaplan Strucken nachdrücklich. „Mit Stolz nennen wir ihn den unsern!“ „Gut. Weiter. Ich ging oder vielmehr schwebte durch den Himmel, durch alle sieben Himmel. Sah die Heiligen und alle himmlischen Chöre, die Streiter für den Herrn Jesum, die unabsehbare Schar der durch Christi Blut Erlösten, die starken Eiferer gegen den römischen Antichr .... ach so — Die Herren entschuldigen, man ist ja nicht verantwortlich für das, was man „* 11 traumt! „Macht nichts, macht nichts, lächelte Kaplan Strucken liebenswürdig und nicht im mindesten beleidigt. „Man träumt ja gewöhnlich Albernheiten und haarsträubenden Blödsinn.“ Der Herr Baron rieb sich vergnügt die Hände. Seine listigen Aeuglein funkelten. So, nun waren Sie im Fahrwasser! Ein wenig war der Herr Kandidat aus der Fassung gebracht. Dann fuhr er fort: „Ich sah also weiter die Apostel dahinwandeln, an ihrer Spitze Paulus, der das Evangelium trug. Ich sah — doch wie soll ich Ihnen all die Herrlichkeiten ausmalen! Da müßte ich mit Engelszungen reden. — Nun gut. Ich durchstreife also alle Himmelsräume, von einem Kreis zum andern und allgemach fällt mir was auf. Ich vermisse etwas. Ich greife an meine Stirn. Ja, aber, — wie ist das denn? Ich muß doch — die Maria hier noch finden, von der die Katholischen so viel Wesens machen!“ „Aeußerst interessant!“ warf der Kaplan ein. Der friedliebende Pfarrer zog die Stirne hoch. Der Baron trank ver¬ gnügt sein Glas aus. — „Also ich suche suche, lasse meine Augen umherschweifen — umsonst! Die Maria entdecke ich nicht . . . Nun, das ist doch sonderbar! Mir wird's ganz beklommen. Sollten die Katholischen sich denn so irren, denke ich. Die verehren doch ihre Maria über alle Maßen — ja so sehr, daß fast der Herr Jesus vor ihr zurückstehen muß . .. Sie verzeihen, meine Herren, im Traum dachte ich das, da ist man ja nicht verantwortlich.“

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2