Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1930

382 „Nun, nur nicht gleich kopfscheu machen,“ raunte der Baron seinem Schützling zu. „Sie müssen schon geschliffenere Waffen gebrauchen ... Ich lassedie Herren einen Augenblick allein, hab’ noch mit der Wirtin zu reden.“ Fort war er „Herr Kaplan Strucken? Nein, Herr Baron, so viel ich weiß, kommt der heute nicht,“ berichtete die Wirtin draußen .. „Dann schicken Sie gleich hin, er möge doch kommen. Der ist streitbarer als ein Baas.“ Die Wirtin lachte. „Haben Sie wieder so ein armes Opferlamm? Herr Baron muß doch immer seinen Spaß haben! Eine Viertelstunde später saß auch der Herr Kaplan im Herrenstübchen in gemütlicher Unterhaltung mit den drei anderen. Das Gespräch plätscherte munter voran. Dann aber wurde der Fremde immer schweigsamer und verstummte zuletzt ganz. Herr von der Heiden be¬ obachtete ihn und fragte dann plötzlich ärgerlich in seiner derben Weise: „Nanu, Herr Kandidat, Sie schweigen ja in allen Tonarten, ist Ihnen eine Laus über die Leber gekrochen? „In der Tat,“ bemerkte nun auch der Pfarrer, „Sie scheinen verstimmt. 2 Ist Ihnen nicht wohl? Der Angeredete fuhr scheinbar aus tiefen Gedanken auf und strich mit der Hand über die Stirne. „Die Herren verzeihen ... O doch, mir ist ganz wohl, nur ... Er stockte. „Na, was haben Sie denn?“ „O, nichts von Wichtigkeit. Ich habe bloß diese Nacht einen merk¬ würdigen Traum gehabt. Einen sehr merkwürdigen allerdings . . . Und 77 da * „Haha! Unsinn! Das irritiert Sie?“ „Ganz recht, Unsinn. Hatte ihn auch vollständig vergessen. Hat auch nichts auf sich. Bloß, nun ich hier mit den Herren von der anderen Konfession so zusammensitze, nun fällt mir plötzlich der Traum wieder ein, und — nun ja, er bedrückt mich ein bißchen. Ahal ging dem Baron ein Licht auf: Das war schon die Attacke. Famos! „Los Herr Pfarrer in spe! Erzählen Sie uns Ihren Traum. Was hat der mit den Herren von der anderen couleur zu tun? Bin gespannt. „Nein, nein,“ wehrte der, „ist ja ohne Bedeutung, wirklich, die Herren müssen die Störung entschuldigen. Das Wort entfuhr mir so, weil Sie fragten. — Sollen wir nicht lieber ein Spielchen machen? „Nichts da, Herr Kandidat,“ rief nun der Kaplan munter und seine Augen blitzten kampflustig. „Nun müssen Sie uns nolens volens erzählen. Wieso hat unser schwarzer Rock Ihnen Magenbeschwerden verursacht? Ich wittere Morgenluft! Tummeln Sie Ihren Streithengst!“ „Aber, meine Herren — ich bitte, das liegt mir ganz fern. Bin eine fried¬ same Natur. S’ist wirklich der reine Zufall — dieser Traum und dann das Zusammentreffen mit Ihnen. Und übrigens gar nicht von Interesse.“ „Träume sind Schäume,“ nickte der Pfarrer und brannte seine Zigarre an. „Aber nun hilft das nichts. Sie haben uns einmal gespannt gemacht, — Herr Konfrater nicht wahr, wir dürfen Sie doch Konfrater nennen? Ich denke doch, wir sind Brüder. Der junge Theologe verbeugte sich höflich. „Gewiß, gewiß, die brüder¬ liche Liebe über alles!“

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