375 Als er nach längerer Zeit aufschaute, aufmerksam gemacht durch die bewundernden Ausrufe der anderen, sprang er verblüfft auf und stand sprachlos. — Das — das war ja —. Was fiel den Leuten ein ...? Eine Statue der Jungfrau Maria stand oben auf dem Altar und hob sich leuchtend von dem himmelblauen Hintergrund ab. Rechts und links prangten zwei mächtige Sträuße von Fichtenzweigen, aus denen weiße Narzissensterne lugten — die einzigen Frühlingsblumen, die sie hatten auf¬ treiben können. Es war ein schöner und rührender Anblick. „Nun, Kamerad, du schaust ja ganz starr drein,“ sagte Hartrot fröhlich. „Ich will dir jetzt unser Geheimnis erklären — und auch dir, Bergdorff, fügte er hinzu, als dieser soeben, naß wie eine Katze, eintrat. „Ihr wißt, wir andern sind alle katholisch, und sind brave Mariensöhne. Und morgen be¬ ginnen wir den Maimonat, der bei uns der Mutter unseres Herrn, der Königin des Himmels und der Königin des Frühlings geweiht ist. Das wollen wir, so gut es im Schützengraben möglich ist, feiern! Und wollen Maria um ihren Schutz und Segen bitten! Bergdorff brach in lautes Lachen aus und rief: „Also eine „Maifeier! Na, da sieht man's wieder, was ihr Katholiken doch eine Abgötterei mit der Maria treibt!“ Und auch Huber lachte spöttisch: „Ja, wirklich, ihr geht zu weit mit * eurer Verehrung der Maria, denn „Was, Abgotterei?“ rief der hitzige Heinz Elbing. „Wer das sagt, der kaut eine uralte Dummheit wieder! Jedes Kind von sieben Jahren bei uns wie das ist! weiß gebot Georg Hartrot und reckte sich auf. „Ruhig Blut, Kameraden!“ „Wir dürfen in dieser ernsten Zeit nicht streiten! Ob Katholik oder Protestant, wir kämpfen Schulter an Schulter gegen den gemeinsamen Feind! Für Gott, für Heimat und Vaterland. Wir achten eure Ueber¬ zeugung, achtet ihr auch die unsere!“ Es war ganz still geworden nach diesen mannhaften Worten. Das Rot der Beschämung stieg Ernst Bergdorff in die Wangen, und Hans Huber neigte sich verlegen über seinen Brief. Den katholischen Soldaten chlug das Herz hoch und freudig. Ganz urplötzlich, ohne daß einer es aber vorgeschlagen hatte, stimmten sie das Lied an: „Maria zu lieben, ist allzeit Sinn! mein Nun mußte Georg Hartrot erzählen, wie und wo er die schönen Sachen aufgetrieben hatte. Er tat es mit vielem Humor und schilderte besonders lebhaft, wie er in einem Geschäftshause die Marienfigur gesehen hatte, wie die Besitzerin sie ihm aber nicht verkaufen wollte, aus Furcht, daß die schlimmen „Prussiens“ sie verunehrten. „Umsonst versicherte ich ihr: „Ich bin katholisch und meine Kameraden auch, es half alles nichts. „Was wollen Sie damit?' fragte sie mißtrauisch. „Nun, morgen ist doch der erste Tag des Maimonats, den wollen wir feiern als brave Mariensöhne!' Die Frau zögerte noch; da hatte ich einen guten Einfall: ich zog meine Marienmedaille hervor, küßte sie und zeigte sie ihr. Aber nun — Da war sie überzeugt und überließ mir die schöne Figur. wollen wir eine Zigarre anstecken, Jungens,“ fügte Georg hinzu, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. „Bergdorff qualmt schon wie eine Gasbombe. Noch immer so in den Brief vertieft, Huber? Wohl vom Schatz? scherzte er.
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