Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1930

374 „Sei gegrüßt, o Jungfrau hehr, O Maria, Siegerin! Führerin zu Land und Meer, O Maria, Siegerin! Froh in deinem Siegesglanze Knien wir mit dem Rosenkranze O Maria, Siegerin!“ Da kam ihm ein Gedanke. „Du, Kamerad,“ riefer seinen Nachbar an, der wenige Meter vor ihm auf Beobachtungspostenstand und leise mitge¬ summt hatte, „sag, bist du auch Sodale? Lebhaft hob Heinz Elbing den Kopf. „Sodale? Gewiß bin ich das! Du also auch? Wie mich das freut! Ja, und alle Leute von unserem Zug sind katholisch, bis auf Huber und Bergdorff. Weißt du was, Kamerad, ich hab ’ne feine Idee! Uebermorgen ist der erste Mai! Den dürfen wir als treue Marienkinder doch nicht sang= und klanglos vorübergehen lassen, was? Den müssen wir würdig feiern!“ „Das wäre freilich schön. Aber hier im Schützengraben? Wird schwer gehen,“ zweifelte Heinz Elbing. „Gar nicht schwer,“ meinte Georg Hartrot eifrig. „Wir haben doch unseren famosen Wohnpalast. Denk doch, fünf Meter lang ist unsere herrliche Lehm= und Mooshütte — das reinste Schloß! Da bau ich im Hintergrund einen feinen Altar mit einem Marienbild!“ „Wo willst denn das herkriegen? „Laß mich nur machen; ich muß doch morgen ins Städtchen zum Ein¬ kaufen fürs Regiment; da finde ich sicher für Geld und gute Worte alles, was ich brauche. Du mußt mir nur morgen abends beim Aufbau helfen, Kamerad! „Mit tausend Freuden!“ versprach Heinz Elbing. „Du, und dann singen wir unsere lieben Marienlieder! Ach, ich habe ordentlich Sehnsucht darnach! Möge Maria uns beschützen!“ „Amen!“ sagte Georg Hartrot und faßte sein Gewehr fester. Der folgende Tag verlief ziemlich ruhig. Die Leute gaben sich der wohl¬ verdienten Ruhe hin, nachdem doppelte Wachen aufgestellt waren. Einige lasen Briefe aus der Heimat oder schrieben ihren Lieben oder gaben sich dem Schlaf hin. Wieder andere veranstalteten ein Konzert auf der Mund¬ harmonika. Leise gedämpft klangen die alten Heimatlieder. Georg Hartrot und Heinz Elbing waren in ihrem „Moospalast“ in voller Arbeit. Ein paar andere Soldaten halfen eifrig. Der hintere Teil der Hütte war fein sauber aufgeräumt, die Wände mit Rupfen ausgeschlagen. Dann wurde gegen die hintere Schmalwand eine hohe Kiste gestellt, eine kleinere und eine noch kleinere davor, so daß sie zwei Stufen bildeten. Die Kisten wurden von allen Seiten mit grünem Moos bekleidet, die Wand darüber mit himmelblauem Fahnentuch bespannt; das gab einen prachtvollen Gegensatz zu dem tiefgrünen Moos. Ueber den Altar kam eine weiße Komodendecke, denn weiß und blau sind die Farben der Muttergottes. „Aber, was macht ihr denn da?“ frug jetzt erstaunt Hans Huber, von seinen Briefen aufsehend. „Wir putzen und schmücken! Wirst schon gleich den Grund sehen, Kamerad,“ antwortete Georg Hartrot. Und Huber vertiefte sich wieder in seine Briefe von zu Hause.

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