Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1930

370 Daß er ein etwas bewegtes Leben hinter sich hatte, verschlug nichts. Pah! Leben und leben lassen! Jedenfalls würde er in der Ehe Olga viel Freiheit lassen! Also, Olga Petrowna erklärte, an der Wildschweinjagd teilnehmen zu wollen. Ihre Mutter war entsetzt, außer sich! Eine Saujagd! Shocking! Es war impossible! — Und dann die Gefahr! Nein, nein — das war ja nicht auszudenken! Mama war ganz indigniert. Auch andere aus der Gesellschaft rieten der tollkühnen jungen Dame dringend ab. „Aber so helfen Sie mir doch, Gregor Alexandrowitsch!“ forderte Olga mit einem koketten Blick ihren jungen Gastgeber auf. „Ich bin untröstlich, gnädiges Fräulein, aber — ich wäre der unglück¬ lichste Mensch auf der Welt, wenn Ihnen etwas zustieße,“ beteuerte Gregor mit tiefer Verbeugung und einem feurigen Blick. „Es ist wirklich für eine Dame zu gewagt. „Ich habe aber doch schon oft in Riga einem Pferderennen beigewohnt!“ Gregor Alexandrowitsch lachte. „Oha! Ein Pferderennen ist noch lange keine Sauhatz, Gnädigste! Und überdies sehen Sie dort von geschützten, eleganten Tribünen aus behaglich dem interessanten Schauspiele zu. „Aber ich habe noch nie ein Wildschwein gesehen!“ sagte Olga schmollend. „O, Sie können die erlegten schwarzen Burschen nach der Jagd genügend bewundern.“ „Ach nein, ein lebendiges Wildschwein meine ich! Das möchte ich zu gern sehen!" „Nun, wenn's weiter nichts ist — Ihr Wunsch ist mir Befehl! Ehe morgen die zwölfte Stunde schlägt, werde ich Ihnen ein prächtiges Exemplar dieser Häuptlinge des Waldes vorführen! „Wirklich?“ fragte Olga erfreut. „Aber — wird Ihnen das möglich 11 77 sein? Es heißt doch, die Bestien seien gefährlich,“ fügte sie, plötzlich ängstlich geworden, hinzu. „Wie wollen Sie das anfangen? „Kleinigkeit!“ prahlte er. Dann trat er nahe an sie heran. „Was täte ich nicht für Sie, Olga Petrowna!“ flüsterte er mit flackerndem Blick. Und Olga senkte errötend den Kopf. Nach dem Diner hatte Gregor Alexandrowitsch eine Unterredung mit Iwan Andrejew, dem Aufseher seiner leibeigenen Bauern. Mit abgezogener Mütze und demütig gesenktem Blick stand der Mann vor dem gefürchteten Gutsherrn. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er blinzelte scheu. „Es wird schwer halten, Euer Gnaden,“ wagte er zitternd zu entgegnen. Die Stirne des Grundherrn furchte sich. Hart sagte er: „Es muß gehen, Iwan Andrejew! Merke dir das! Du haftest mit dem Kopfe dafür. Wenn alle Treiber ihre Schuldigkeit tun, müßte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn das aufgestöberte, erschreckte Tier nicht direkt in di#irde einlaufen sollte!“

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