Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1930

363 Und er sitzt da und krampft die Hände ineinander und starrt vor sich hin. Zu spät! Sein Leben ist ausgespielt! Vertändelt, verzettelt, vergeudet hat er's. Zuletzt entweiht und mit Schuld befleckt. Nun ist das Ende da! Er hat Schiffbruch gelitten an allem, am Glauben, an der Liebe und Treue, an der Ehre. Die Brandung schlägt über ihm zu¬ sammen, reißt ihn hinab in die Tiefe. Eine der vielen verlorenen, zertrümmerten Existenzen! Einer der vielen, die im Strudel der Großstadt untergehen! Er fühlt nach der Brusttasche. Eine Pistole steckt darin. Seine Hand zittert. Ihm ist, als tauchten aus dem Dunkel zwei Augen zwei tiefe, treue, feuchtschimmernde Augen, die ihn traurig an¬ auf schauen. Einst! Einst sind diese Augen seine Leitsterne gewesen! — Weit, weit liegt die Zeit zurück. Er hat echte, goldene Treue von sich geworfen, achtlos zertreten — und dafür elendes, feiles Flittergold ein¬ * getauscht Er schlägt die Hände vor das Gesicht. Heiß fühlt er es emporquellen. Seine Schultern zucken. stöhnt er — „O Erika . . . Erika ——“ „Erika ...“ Er sieht sie wieder vor sich, in all ihrem süßen Liebreiz, ihrer lichten, zarten Schönheit. Er gedenkt der Stunde, da er sie zum erstenmal in seinen Armen hielt, im schützenden Dunkel des Parkes, während drinnen im Gartensalon die Tanzweisen umsonst lockten. Er küßte sie, beinahe scheu und demütig. Dann aber in aufloderndem Glücksrausch. Wieder und wieder. Unersättlich. „Mein süßes Lieb! Enger schmiegte die bebende Gestalt sich an ihn. Und die Rosen dufteten . . . und die Nachtigallen schluchzten ... Und er sah sie wieder, verstohlen, an der Parkmauer, mit blassem, verweintem Gesichtchen. 77 ... sie sagen von dir „O Geliebter Er knirschte mit den Zähnen. Ahl er wußte, was sie von ihm sagten Und — wie schlimm er's trieb da draußen in der Welt, auf den Renn¬ das ahnten die plätzen und in den Spielsälen der vornehmen Kurorte — braven Leute in diesem verschlafenen Städtchen nicht mal! Er wußte auch, daß Erikas Vater geschworen hatte, nie und nimmer einziges Kind, sein Kleinod einem leichtsinnigen Lebemann zu geben!... sein Ja, ein erbärmlicher Mensch war er, ein elender charakterschwacher Feigling! „Ich aber, Herzliebster, ich glaube an dich ... Er riß sie in seine Arme und bedeckte ihr süßes, reines Gesicht mit Küssen. „O du — du —— du Einzige . . . . Vergib mir —— mein armes Lieb — Er raffte sich noch einmal auf, aber seine Leidenschaften zogen ihn wie mit Ketten immer tiefer in den Sumpf. Und wenn in wenigen Tagen die Wechsel mit den gefälschten Unter¬ — gefälscht von ihm, in einer verzweifelten schriften präsentiert wurden Stunde, um Geld zu schaffen . . . Gott, o Gott, wie tief war er gesunken-

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