Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1930

361 8 Der musikalische Mesner. Von Sepp Stöger-Steyr. Etwa zwei Stunden Gehzeit von Steyr liegt zwischen dem Enns= und Steyrtal auf luftiger Höhe das Dörfchen Aschach. Wie aus den alten Chroniken bekannt ist, bestätigte einst Markgraf Ottokar im Jahre 1143 dem Benediktinerkloster in Garsten den Besitz der schon in viel früherer Zeit erbauten Kirche zum hl. Martin. Gar viele Wetter= und Kriegsstürme sind seither über die liebliche altgotische Kirche gebraust, doch sie hält stand und wird noch manchen Stürmen trotzen. Ein Musterbeispiel von Standhaftigkeit ist derzeit wohl auch der dortige alte Mesner und Organist Leopold Feuerhuber, welcher nun bald sein sechzigjähriges Dienstjubiläum in Aschach feiern kann. Ein Mann von be¬ sonderer musikalischer Begabung, der in treuer Pflichterfüllung auf seinem Posten aushalten wird, so lange ihm die Möglichkeit dazu gegeben ist. Der hellste Lichtpunkt in seinem Leben ist wohl die Bekanntschaft mit dem größten heimischen Orgelmeister Dr. Anton Bruckner. In Kremsmünster war es, bei der Säkulumsfeier, wo er, der bescheidene Dorforganist, alles liegen und stehen ließ, um in der herrlichen Stiftskirche den berühmten Meister Bruckner zu sehen und die seltene Gelegenheit hatte, dessen Orgelspiel bewundern zu können In Hemdärmeln, schweißbedeckt, meisterte der gottbegnadete Künstler die Orgel und niemand in der großen Kirche hat wohl andächtiger zugehört, wie der beglückte Dorforganist Feuer¬ huber. Später trafen sich im Klostergarten diese zwei Männer; Feuerhuber drückte dem Meisterspieler seinen Dank aus und lud ihn ein, doch auch ein¬ mal nach Aschach zu kommen. Dr. Bruckner sagte lächelnd zu. Eines Tages arbeitete Feuerhuber auf seinem kleinen Erdäpfelacker, da kam ein Dirndlein gesprungen, welches dem fleißigen Manne erregt zurief: „Hets! Hets! Oes sollts gschwind zan Ebner kemma, zwoa Stadtherrn wartn obn in Wirtshaus auf enk.“ Neugierig, was es gäbe, eilte er dorthin und sah mit freudigem Schreck seine zwei Besucher, den hochverehrten Meister Dr. Bruckner und dessen Freund, den Chordirigenten Franz Bayer aus Steyr. Arg verlegen wegen eines nicht besonders empfangswürdigen Aussehens, begrüßte der musika¬ lische Erdäpfelgraber die beiden Herren. Freundlich lachend reichte ihm Dr. Bruckner die Hand und wird wohl gedacht haben: „Beim Erdäpfel¬ graben ziagat ih a koane Handschuah an. Es war ein lustiges Beisammensein, das erst sein Ende fand, als die ersten Schleier der kommenden Nacht über die herrliche Landschaft fielen. Anläßlich einer Markus=Prozession, die von Aschach nach Steyr ging, belobte Meister Bruckner besonders den treffsicheren Vorsänger Feuerhuber und kam abermals mit Freund Bayer zu Besuch nach Aschach.

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