Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1930

4. Steyr. Trauung des Herrn Ulrich Schöndorfer Professors am Realgym¬ nasium der Theresianischen Akademiein Wien, mit Fräulein Grete Schmidt, Toch¬ ter des Steueramtsdirektors Herrn Max Schmidt in Vöcklabruck. Der Bräutigam, ein Sohn der Stadt Steyr, wirkte früher am Bundes=Realgymnasium daselbst. — Fräulein Lina Moser, Private, Schwester des Kauf¬ mannes Herrn Anton Moser in Steyr, im 41. Lebensjahre gestorben. Die zu früh Ver¬ storbene war ein eifriges Mitglied des Deut¬ Gründung eines Mu¬ — chen Turnvereines. ealvereines, woran die maßgebenden Es Persönlichkeiten der Stadt teilnahmen. wurde ein vorbereitender Ausschuß gewählt bestehend aus den Herren Prof. Blümel¬ huber, Fabrikant Reder, Med.=Rat Dok¬ tor Klunzinger, Prof. Dr. Seidl und Stadtrat Marktschläger. Steyr. Nachdem seit dem Vortage bei vollkommen klarem Himmel die Temperatur stetig gestiegen war und am Nachmittag weit über 30 Grad Celsius erreicht hatte, brach aus dem Südwesten gegen 7 Uhr abends, kommend, ein glühendheißer Sturmwind los, der sich rasch zum Orkan steigerte und in der Stadt und Umgebung ungeheuren Schaden anrichtete. Einzeln stehende Bäume wurden entwurzelt und umgelegt, starke Aeste herab¬ gerissen, Dächer abgedeckt, Fensterscheiben ein¬ gedrückt und die Fernsprechleitungen von Steyr in die nähere und weitere Umgebung zerstört. In der Garstener Allee wurden zwei Männer von abgerissenen Baumästen erheb¬ lich verletzt, so daß sie ins Krankenhaus ge¬ bracht werden mußten. Auf der Straße durch Sierning und Sierninghofen ging von den Dächern ein wahrer Ziegelregen nieder, wo¬ durch ebenfalls Personen verletzt wurden. Im ganzen wurden bei zehn Personen in das Krankenhaus eingeliefert, die aber zumeist nach erster ärztlicher Hilfeleistung und An¬ legung eines Verbandes wieder entlassen werden konnten. Hart mitgenommen wurden die auf der Fahrt begriffenen Auto=, Motor¬ und Radfahrer. Das Wüten des Sturmes dauerte dreiviertel Stunden. In der Stadt richtete das Sturmwetter die ärgsten Ver¬ wüstungen auf der Ennsleite an. Aber nicht nur in der näheren Umgebung der Stadt wurden alle Ortschaften von dem Un¬ wetter schwer betroffen, der ganze Bezirk hatte unter ungeheuren Sach= und Kultur¬ chäden zu leiden, ja das Sturmwetter hatte ich über einen großen Teil des Landes erstreckt. In manchen Gegenden wurde die Obsternte gänzlich vernichtet und der Ge¬ treidebestand schwer geschädigt. Der Schaden in den Wäldern war besonders katastrophal. Viele Baulichkeiten wurden von dem Sturme zerstört und Häuser in Ruinen verwandelt. Die elektrischen Lichtleitungen wurden überall unterbrochen. Besonders arg hauste das 341 Sturmwetter in der Landgemeinde Krems¬ münster, wo der Lindenhof, das Großgaistberger= und das Hackel¬ mairgut fast völlig demoliert wurden. Im Stifte wurde ein großer Teil des Daches bloßgelegt und eine Menge Fensterscheiben zertrümmert. In Ried i. Tr. und Rohr waren die Verwüstungen nicht geringer und in Pucking riß der Sturm sogar den Kirchturm nieder. Durch den Einsturz der Häuser wurden auch Personen verletzt und manches Stück Vieh erschlagen. In Großen¬ dorf bei Ried i. Tr. wurde der Besitzer der Niedermairsölde Johann Rührlinger von einer fallenden Fichte so schwer getroffen, daß er nach zwei Stunden starb. In Hil¬ bern wurde in der Nähe vom Hilgergute eine Hausiererin aus Traun unter umgestürz¬ ten Bäumen tot aufgefunden. Ganz schauder¬ haft hauste das Sturmwetter im Mühlviertel, Innviertel, in der Traungegend sowie im Salzburgischen und in Deutschland, von wo der Sturm herangezogen kam. Im Traun¬ ee ist ein Fräulein aus Wien beim Boot¬ wurde eine fahren ertrunken. Bei Ischl Frau mit ihrem Kinde durch einen stürzenden Leitungsmast erschlagen. In Salzburg wurde der Obermedizinalrat und Primararzt Dr. Fiala von einem alten Baumstamm erschlagen. In vielen Orten blieben Menschen wie durch ein Wunder vor schweren Un¬ glücksfällen bewahrt. In Deutschland war der be¬ Sturm vielfach von schwerem Hagelwetter gleitet. Auch dort gingen Menschenleben zu¬ grunde. — Landwirtschaftsminister Föder¬ mayr und Landeshauptmann Dr Schle¬ gel besichtigten sofort die Katastrophengebiete des Landes und die Landesregierung faßte Beschlüsse betreffend eine Notstandsaushilfe anläßlich der furchtbaren eingetretenen Schä¬ den und erließ auch einen Aufruf an die Be¬ völkerung zur Widmung von Spenden. Der hochwst. Herr Bischof Dr. Gföllner in Linz spendete zur Hilfsaktion der Landesre¬ gierung 2000 S und forderte die Pfarrämter In die zur Sammlung von Spenden auf. Gebiete, wo die ärgsten Verheerungen er¬ olgten, gingen Militärabteilungen ab. Von der Brigade Oberösterreich Nr. 4 wurde zur Hilfeleistung ein Gesamtstand von 14 Offi¬ zieren und 350 Unteroffizieren und Wehr¬ männern beigestellt. Abteilungen der Alpen¬ äger=Regimenter Nr. 7 und 8 arbeiteten an den Aufräumungsarbeiten in Ried i. Tr. und Rohr, vom Alpenjäger=Bataillon 3/7 in Wolfern, Thanstetten und Kron¬ storf. Linzer Heimwehrleute trafen im Kremstale ein. In der Kremsmünsterer Gegend waren Heimwehrleute aus Steyr, Sierning, Bad Hall und Markt Kremsmünster tätig. Die Aufräumungsarbeiten, die sich be¬ onders in den Wäldern sehr schwierig ge¬ talteten, dauerten viele Wochen. Auch im an¬ grenzenden Niederösterreich gab es strichweise

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