Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1930

262 der Stadt Steyr und entbot herzlichen Willkomm. Reden hielten: Bundesminister NR. Födermayr, NR. Dr. Aigner, NR. Markschläger und Gemeinderat Holaubeck aus Wien. Zum Schlusse der Festversammlung brachte der Vorsitzende ein Hoch auf die Republik Oesterreich aus, welches wie ein brausender Sturm, von Tausenden von Menschen ausgebracht, über den Stadtplatz rauschte. Die Kolpings¬ kapelle Linz intonierte die Bundeshymne, die 45 Fahnen, die im Festzug mitge¬ tragen wurden, senkten sich dabei. Nach Auflösung der Festversammlung erfolgte der Abmarsch über die Pfarrgasse auf den Pfarrplatz, wo die Defilierung der Fest¬ zugsteilnehmer vor den Ehrengästen und dem Festausschusse stattfand. Auf der Promenade erfolgte die Auflösung des Festzuges. Nachmittags um 3 Uhr fand im Kasino ein massenhaft besuchtes Festkonzert statt, welches leider infolge der schlechten Witterung in den Saallokalitäten abge¬ halten wurde. Die Kolpingskapelle Linz sowie der christlich=deutsche Gesangverein Steyr ernteten für ihre Darbietungen stürmischen Beifall. Die Stadt hatte zu Ehren der christlichen Arbeiterschaft reichen Flaggenschmuck angelegt, Blumenregen gingen beim Festzuge auf die Arbeiter nieder. Der christliche Arbeitertag ist vorüber, er war ein Tag des Sieges für die christliche Arbeiterschaft des Enns= und Steyrtales, vereint mit ihrer Kollegenschaft aus Linz und Umgebung, Enns und St. Valentin, die Bewohner der Stadt Steyr hatten herzlichen Willkomm entboten und Steyr, die Stadt der Arbeit, hat gezeigt, daß die alte Gastfreundschaft in ihr noch heute tief verankert ist. So Die Steyrer Kinder und der Jugendaustausch. Von Prof. G. Goldbacher. Der Austauschgedanke stammt ursprünglich aus der Kriegszeit. Als die Hunger¬ blockade der Feinde ihre grauenvolle Wirkung zu üben begann, erbarmten sich neutrale Staaten, wie Dänemark, Schweden und die Schweiz, der deutschen und österreichischen Kinder und nahmen Hunderte in ihren Familien gastlich auf. Nach Kriegsende kamen dann auch Kinder aus diesen Staaten nach Deutschland und Oesterreich und so entstand nach und nach jener prächtige Gedanke, welcher seit sechs Jahren unter dem Namen Jugendaustausch alljährlich im Sommer um geringes Geld Tausende reichsdeutscher Kinder in unsere Berge und ebensoviele unserer Kinder in reichsdeutsche Familien an der Ost= und Nordsee bringt. Die ganze, übrigens recht mühevolle Organisationsarbeit wird vom „Verein für das Auslanddeutschtum“ und dem Verein „Landaufenthalt für Stadtkinder“ in Berlin in Verbindung mit dem „Deutschen Schulverein Südmark“ in Wien vorbe¬ reitet und mit den Gruppenführern in den einzelnen Ländern so durchgeführt, daß im Juli durch vier Wochen die Kinder von der „Waterkant“ unter Führung reichs¬ deutscher Studienräte in denjenigen unserer Familien weilen, worauf unsere und die deutschen Kinder mitsammen durch vier Augustwochen in den betreffenden Familien an der See verbringen. Die segensreichen Wirkungen dieses Austausches sind mannigfacher Art. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß viele Kinder aus den Alpenländern etwas unbeholfen im sprachlichen Ausdruck, schüchtern und im Benehmen etwas linkisch sind. Durch das achtwöchentliche Beisammensein mit den reichsdeutschen Kindern, welche fast ausnahmslos redegewandt und aufgeweckt sind, überträgt sich die deutsche „Schneid“ ganz ungezwungen auch auf unsere Kinder. Vor allem aber ist das Kennenlernen anderer deutscher Landschaft, anderer Kost, anderer Sitten und Bräuche und für

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