Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

332 Ein grimmiges Lachen des Meisters: „Wie lang — eine — zwei Wochen und der alte Tanz geht wieder los. Meinetwegen, einmal versuch' ich's noch. Geh mir aus den Augen!“ Und der Jakob ging — ging zur Zillerl und heller Jubel klang aus seinem Innern. „Dirndl, ich dank' dir, ich darf wieder bleiben.“ So gingen und kamen die Jahre. Lena hielt ihr Wort, kein Mann hatte je wieder ihren Leib berührt. Einmal, als das Mädel noch klein, vielleicht ein halbes Jahr gewesen, da kam eines Tages der Ferdl und verlangte sein Kind zu sehen; doch kalt und trotzig verwehrte es Lena: „Nein, es ist mein Kind und soll es bleiben. Bitten und Vorstellungen halfen nichts, Ferdl mußte gehen und kam nie wieder. Und nur in ihrem Sinne erzog sie ihr Kind und es wurde ein tau¬ frisches, gesundes Mädchen. Es hatte fleißig gelernt in der Schule und mußte bald hinaus in die Welt, um zu dienen wie die Mutter, da es ihr versagt war, ihr Kind besser zu versorgen Und wieder gingen Jahre ins Land, Zillerl kam fort, war ein bildsaubers Dirndl geworden, dem die Männer mit Wohlgefallen nachblickten. Die lustigen Blauaugen funkelten nur so von Lebenshunger und Lustig¬ keit, bis eines Tages doch einer kam, der sie fest hielt fürs Leben. Doch auch hier zeigte sich noch kein Aufblühen, kein Emporkommen, auch hier bei Lenas Kinde war die Armut bald zu Gaste. Es wimmelte bald von Buben und Mädchen, beim vierten wartete ihr Lena noch aus, noch immer rüstig, noch immer auf ihrem alten Posten. Dann, als sie heimging von Zillerl, aus der nun eine große, gereifte Zilli geworden, verkühlte sie sich, holte sich eine Lungenentzündung und starb. Auch der Herr Vetter schlief bereits den ewigen Schlaf seit Jahr und Tag. Und vom Jakob wußte kein Mensch etwas. Als seine kleine Beschützerin ins Weite zog, da hielt es auch ihn nicht mehr und er fing sein altes Stromer¬ leben wieder an, zog von Ort zu Ort und sank immer tiefer. Lange Jahre sah' und hörte man nichts mehr vom Jakob. Oft und oft dachte Zilli an den Freund ihrer Kindertage, an dem ihr Herz gehangen, lange denkend, es sei ihr Vater. Doch im Laufe der Jahre, abgelenkt durch die Erlebnisse ihrer Ehe und ihre Kinder, verblaßte langsam die Erinnerung an ihn. Da ging sie eines Tages vom Einkaufen heim, beladen auch mit ihren Sorgen, ganz in Gedanken versponnen. Ein alter Mann kam ihr entgegen, gebückt durch die Last der Jahre, Schritt für Schritt mühselig kämpfend, das Haupt schneeweiß, die Kleider zerschlissen, zerfetzt, die Schuhe ohne Boden, die Zehen der frischen Luft ausgesetzt. Ein bellender Husten, der die Brust des Alten quälte, ließ Zilli aufschauen. Mitleidig wollte sie den wankenden Alten stützen und sah plötzlich starr und entgeistert in dessen vergrämtes Antlitz und ein Schrei kam von ihren Lippen. „Jakob — Allmächtiger Gott, sind Sie nicht der Bäcker Jakob von einst?“ Da starrte der Alte in das Gesicht der jungen, hübschen, trotz Sorgen und Arbeit peinlich reinen Frau. * „Ich bin der Bäcker Jakob, aber wer .. „O, ich bin die Zillerl!“ kam es erschüttert über die Lippen der durch den Anblick des Alten tief ergriffenen Frau.

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