Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

331 „Herrn Vetter“ aber sonderbar, alle Grobheiten prallten ab an dem sonst so empfindlichen Jakob; er blieb, Zillerl war der Magnet. Er wurde seßhaft und schaute auf sein Aeußeres. Wenn das kleine Dirndl, als es drei, vier Jahre alt war, sagte: „Jakob, wie garstig du stinkst, du getrunken, du nicht mehr lieb, ich mag nimmer garstigen Jakob, da kamen ihm Tränen der Scham und er gelobte heilig Besserung. So vergingen die Jahre. Oftmals schon hatte es ihm knapp gelegen, denn seine Schwüre waren stets von kurzer Dauer und oft schon hatte ihn der gestrenge Meister an die Luft gesetzt. Dann weinte und schluchzte er verzweifelt und klagte all sein Leid dem Dirndl. „Zillerl, ich muß fort, ich seh' dich nimmer, o Zillerl, geh', bitt für mich, daß ich bleiben kann.“ Dann trippelten kleine Füßchen über die Diele und schüchtern klopfte es anHerrn Vetters Türe. Ein barsches Herein. Da saß der Meister, die Hände aufgestützt mit finsterem Gesicht, und grübelte, lugte gar nicht zur Tür und panzert sein Herz mit Härte. Da klingt es schüchtern hinter seinem Rücken: „Herr Vetter“ — ganz leise, zaghaft, und als keine Antwort erfolgt, lauter, bittender: Herr Vetter. 52 Einzorniges Stuhlrücken. „Was willst: „Herr Vetter“, schluchzend stammelt es das Dirndl — „Herr Vetter, bitt' schön, der Jakob ist so unglücklich, i bitt' schön“ und die kleine Nase fährt auf des Meisters Hand¬ rücken. Der flüchtet. „Geh' weg, geh’ hinaus, komm' mir nimmer, ich mag — Er tut's nimmer, Herr Vetter, ihn nimmer den B’suff den grauslichen.“ wirklich und wahrhaftig nimmer.“ Ein Hohnlachen des Meisters. „Nimmer Und nimmer! Wie oft hat er das schon versprochen der Taugenichts! — du, du Fratz, geh' mir aus den Augen, geh!“ brüllte er, da er sein Herz weich werden spürte, zornig. Da schlich das Dirndl todtraurig hinaus. Draußen auf der Bank saß der Jakob und schluchzte steinerweichend. „Ich tue mir was an, Zillerl, ich geh ins Wasser, ich kann nicht fort¬ gehen von dir, ich sterbe, o, o —“ und nun hielten sich die beiden umschlungen und weinten gemeinsam. „Weil Sie aber nicht folgen, Jakob,“ klagte Zillerl, „wie oft hab' ich und gebeten, nicht ins Wirtshaus gehen, dann schimpft der Herr Vetter immer umsonst, immer soll ich dann bitten und betteln und wie lang dauert's?“ „O Zillerl, ich schwör dir's, nur dies einemal noch, bitt' für mich, sonst geh ich ins Wasser.“ Drinnen stand der Meister und hielt sich die Ohren zu; da schlüpfte der nichtsnutzige Balg schon wieder herein und stoßweise kam es über die zuckenden Lippen: „Herr Vetter, der Jakob geht ins Wasser und — und ich geh mit — weil der Herr Vetter so garstig ist, ja“ — lautes Heulen „i geh mit ins Wasser, Herr Vetter!“ Da schrie der Meister zornig und voll Grimm: „Er soll hereinkommen, der Vagabund, der Lump!“ Ein Jauchzer und ungestümes Händeküssen, doch die Hände des Herrn Vetters schleudern die Kleine weg. Dieser Fratz hatte ihn wieder einmal besiegt, wieder gegen seinen Willen weich gemacht. Da stand schon der Missetäter und schwor zehn heilige Eide, daß kein Alkohol seine Lippen mehr benetzen sollte.

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