Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

329 im Volksmund heißt, der Närrische grüßen! Mit anderen Worten: es erwachte das Weib und damit die Liebe. Was keinem gelang, der schöne Ferdl, der neue Bäckergehilfe, brachte es fertig, daß die bildhübsche Lena ihre stolze Zurückhaltung aufgab und den Liebesschwüren des Ferdl traute. Er war der Sohn wohlhabender Leute, die selbst Bäckerei, Fleischhauerei und Gastwirtschaft besaßen. Und nur sein Abenteurertrieb lockte ihn in die Ferne von Ort zu Ort. Hoch und teuer schwor er der Lena die Ehe, wenn sie ihm ihre Liebe schenke. Und als die hübsche Lena eines Tages erkannte, daß Liebe nicht ungestraft genossen werden darf, daß es auch Folgen gibt, an die die meisten im Rausche kurzer Glückesstunden nicht denken, da ging sie gesenkten Hauptes zum Ferdl und kündete ihm, daß die Zeit gekommen sei, da er sein Versprechen einlösen, sie zu seiner Frau auch vor der Welt machen müsse. Ein Glück, daß der spöttische Blick Ferdls über sie hinwegging und sie die Trostworte ernst nahm, die sein hübscher Mund sprach. Früh genug kam die Stunde der bitteren Erkenntnis, daß sie einem Unwürdigen zur Beute, daß sie ein Spielball seiner Sinnesleidenschaft geworden und kein Funken echten Gefühles in ihm war. Denn einige Zeit nach ihrem Geständnis war der Ferdl spurlos ver¬ schwunden, der sie der Schande und der Verzweiflung kaltblütig preisgab. Da schwor sie sich in Zorn und Verachtung, daß kein Mann der Erde sie je mehr sein eigen nennen und daß das werdende Wesen nie seinen Vater kennen lernen sollte, auch wenn er sich später vielleicht seines Kinders noch erinnern sollte. Nein, nie sollte dieser treubrüchige Mensch mehr ihren Weg kreuzen, er und auch kein anderer. Und so ward sie zum stillen, in sich gekehrten Menschen und kümmerte sich weder um das Gemunkel und Getuschel der Menschen noch um ihre Zukunft. Bei einer bekannten Frau wollte sie die schwere Stunde abwarten und dann weiter arbeiten auf dem Platz, wo sie schon jahrelang war. Ihr ganzes Sinnen ging dem Kind entgegen und ein heiliger Schwur, es nach Kräften zu einem anständigen und charakterfesten Menschen zu erziehen, erfüllte ihre Seele. Dann eines Tages, ganz unvermutet mitten bei der Arbeit, kam das kleine Dirnlein, überraschte sie im Hause ihres Dienstgebers, welcher zwar über die Schand und Schererei grollte, nun es aber geschehen war, es nicht mehrändern konnte. Er war ein stolzer, herrischer Mann, der Bäcker, der einige Häuser und viel Grund und Boden sein Eigen nannte. Ein alter Hagestolz, mißtrauisch dem weiblichen Geschlecht gegenüber hatte er's nie übers Herz gebracht, zu heiraten und seine ebenfalls ledige Schwester führte die Hauswirtschaft. Nun schneite ihm der böse Zufall ein kleines strampelndes Dirndlein ins Haus, dessen Blauaugen ihn ganz groß und erstaunt anlachten, als er es zumerstenmal sah. Ein ungekanntes, warmes Gefühl stieg auf in seine Brust und ein tiefes Erbarmen mit dem vaterlosen Kinde machte ihn weich und gut. Was aß denn dieses zierliche Mäulchen weg? — Sollte es bleiben, wo es schon war, und in seinem Hause aufwachsen. Die Lena war brav; mochte sie die kleine Zillerl behalten, er hatte nichts mehr dagegen. So hatte Lena ihr Kind bei sich und eine heiße, zärtliche Liebe

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