Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

328 Der Bäcker Jakob. Von Louisa Stoll. Ich muß schon vorher eine kleine Einleitung bringen, ehe ich euch mit dem Jakob bekannt mache. Beim Bäcker Gittler im Dorf hatten sie ein kreuz¬ braves Mädl, die Lena, als Dirn. Es waren recht traurige Umstände, die die einstige Großbauerntochter zwangen, in Dienst zu gehen. Der Vater trank, spielte und hatte allerhand noble Passionen, die er den benachbarten Gutsbesitzern nachzuäffen versuchte; und verlor in einer einzigen Nacht beim Hasardspiel oft den ganzen Gewinn von ein paar Prachtochsen, die vorerst sein Stolz gewesen. Fuhr mit seinen prächtigen schwarzglänzenden Rappen in die nahe Stadt und amüsierte sich tagelang, auf Weib und Kinder vergessend. Kein Wunder, daß es von Jahr zu Jahr bergab ging und sein braves, tapferes Weib daheim mit Schrecken das Ende voraussah. Oft und oft bat sie ihren Mann: „Schorsch, i bitt dich, denk doch an mich und die Kinder! Wenn du so weitertust, ich kann's nimmer derschaffen. O Schorsch, ich seh' dich noch als Einleger von Haus zu Haus wandern. Ich bitt dich, bleib daheim und arbeit! Deine Freunderln werden dich nicht halten, wenn wir auf die Gant kommen. Nutzloses Werben; der Besitzer des schönen Hofes sank immer tiefer und verfiel dem Teufel Alkohol mit Leib und Seele. So kam der Tag, an dem der einst so stolze schuldenfreie Besitz unter den Hammer kam. Und nichts, rein nichts blieb, als die Schulden gedeckt waren. Und die zwei Buben und die vier Mädl des stolzen Schoderhofers mußten sich als Knechte und Mägde verdingen. Die schwergeprüfte Mutter überlebte die Schande nicht lange und der Vater mußte wirklich von Hof zu Hof wandern als geduldeter Einleger und suchteim Schnaps Vergessen. Nicht lange dauerte die Qual, denn sein Körper war seit Jahren ver¬ wüstet und nun ging der einstige stolze Herrscher über viele Wiesen, Felder und Forste in halbem Säuferwahnsinn verlottert und verbittert zugrunde. Die verwaisten Kinder — das jüngste war erst zwölf Jahre — standen mit den herbsten Empfindungen am Grabe ihres Vaters und die Tränen, die über ihre Gesichter kugelten, entsprangen einer zornigen Verachtung für den, der ihr Beschützer, ihr Erzieher hätte sein sollen, der sie aber durch seinen bodenlosen Leichtsinn von Haus und Hof dem bitteren Nichts in die Arme getrieben hatte. Und es schien der Fluch der Armut und Heimatlosigkeit ich an die Fersen der Unschuldigen zu heften, denn keinem gelang es, sich eine bessere Stellung im Leben zu erringen. Georg und Ferdl, die Buben, arbeiteten und schufteten von früh bis spät, doch stets nur für andere; nie wich der Fluch der Armut. Ebenso waren drei der Mädchen Ausgestoßene des Glückes und nur der jüngsten, der Mirzl, gelang es, sich halbwegs gut auf ein kleines Bauern¬ gut zu verheiraten, wo allerdings auch nur zähester Fleiß eine Lebensmög¬ lichkeit bot. Die Loisl und die Juli heirateten lieber gar nicht und starben als alte Jungfern verbittert und vergrämt. Und ebenso auch unsere Lena, die Zweitjüngste, die jedoch einen kleinen Lichtblick im Leben hatte. Wie gesagt, war sie kreuzbrav und keine schlechte Zunge konnte ihr etwas Böses nachsagen. Da, als sie schon an die dreißig war, ließ sie, wie es

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