Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

320 Student, der nichts anderes besaß als Ideale. Aber ich war in jener Zeit namenlos glücklich. Meine größte Freude waren die Stunden trauten Beisammenseins, da wir miteinander schwärmten von Dichtung, Musik, den Wundern der Sternenwelt und weiß Gott wovon noch. Kein unedles Wort wurdeje zwischen uns gesprochen und ihr Einfluß, den sie durch ihr reines Wesenauf mich übte, hielt mich von den Gemeinheiten und der Flachköpfig¬ so keit vieler meiner Studiengenossen fern. Wir wurden Freunde, gute Kameraden. Ich hatte vor ihr nur ein Geheimnis: meine Liebe. Oft und oft drängte es mich, je länger ich ihre Freundschaft genoß, auch über diesen Punkt zu sprechen, aber immer hielt mich der Gedanke zurück, daß ich noch nichts sei, ich fürchtete, ihre Freundschaft verlieren zu können. Aber ich tat alles, womit ich ihr Freude machen konnte. Ein junges Herz, das zum erstenmale liebt, ist ja so erfinderisch in allen Kleinigkeiten, wennes gilt, dem teuren Mädchen eine Aufmerksamkeit zu bereiten. Sie war auch oft herzlich erfreut; doch ihr wurden Huldigungen von allen Seiten dargebracht — und was konnte ich armer Bursch ihr viel bieten? Freilich nahm sie meine kleinen Aufmerksamkeiten besonders freund¬ lich entgegen, so daß ich in der Stille in seliger Hoffnung schwelgte. Als vor dem Abiturientenexamen die ernste Frage der Berufswahl an mich herantrat, da habe ich manche schwere Stunde durchgekämpft. Ich sprach mit ihr darüber in dem gewöhnlichen kameradschaftlichen Tone. Aber da traf zum erstenmale eine gewisse Zurückhaltung ihrerseits auf, die ihren Grund in einer natürlichen Feinheit des Gefühles haben konnte, die aber auch eine ganz andere Deutung zuließ. So schob ich denn die eigentliche Entscheidung hinaus. Als aber alles glücklich vorüber war, eilte ich mit freudiger Ungeduld zu ihr, um ihr das Resultat zu verkünden. Sie reichte mir dann mit unbefangener Herzlichkeit glückwünschend die Hand, doch dann war sie so emsig um mein leibliches Wohl besorgt, daß es nichtmöglich war, ein ernstes Wort mit ihr zu sprechen. Doch ich merkte nichts; im Gegenteile: ihre Sorge für mich löste in mir die süßesten Vorahnungen und Gefühle künftigen Glückes aus. Als die funkelnden Becher Wein mit hellem Klingen aneinander stießen, träumte ich von naher Verlobung, Hochzeit und traulichem Glücke im eigenen Heim. Ein eigenes Heim! Wie lockend, wie paradiesisch war für mich dieser — Gedanke. Lange Jahre hatte ich des Heimes entbehrt, wenn ich auch eelensgute Menschen fand, die um mich besorgt waren. Fremd war ich trotzdem geblieben. Im Traume umgaukelten mich noch die süßen Hoffnungsbilder, ich — Es sah Großmütterchen, die mit Freudentränen mein Lieb umarmte. heißt ja: das Leben ist ein Traum. Vielleicht habe ich deswegen damals so süß geträumt, weil mir das Schicksal die Wirklichkeit versagte. Mitten in der Nacht fuhr ich aus diesen Träumen auf. Bangigkeit erfaßte mich plötzlich, ohne daß ich dafür einen Grund gefunden hätte. In der Stille der Nacht denkt der Mensch weit rascher, weit intensiver als am Tage. Alle Zweifel, die früher schon in mir aufgetaucht waren, nahmen erschreckende Gestalten an; wie Gespenster reckten sie die dürren

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