Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

312 der gewöhnlichen liebenswürdigen und doch nichtssagenden Worte über seine Lippen. Auch sein vorher noch sprudelnder Witz war verflogen. Es war ihm nun so feierlich zu Mute, als stände er in der Kirche und nicht im Ball¬ saal. Und er mußte reden, er mußte einen Anknüpfungspunkt für die Zukunft suchen —, sonst würde ihm dieses liebliche Wesen im Trubel der Großstadt wohl für immer entschwinden. Und er half sich zur Not heraus, bis er eingeladen wurde, doch ein wenig Platz zu nehmen, wenn man ihn keiner andern Gesellschaft entziehe. Nein, das war wahrhaft seinerseits nicht der Fall, er dachte an keine Ilse und Irma, an kein Aennchen und Lottchen mehr, — er sah nur mehr das liebe, bleiche Gesicht Ernas mit den milden, blauen Augen, er sah nur mehr ihren Mund, um den ein reizender Hauch von Schwermut lag, nur ihr goldiges Haar, das einfach, aber geschmackvoll die lichte Stirn umrahmte, er freute sich nur ihres schlanken herrlichen Wuches und hörte nur mehr ihre schlichte, warme Stimme. Auch Ernas Eltern machten auf ihn den besten Eindruck. Eine vor¬ nehmeEinfachheit, echte Herzensgüte und wohlig gedämpfter Frohsinn trat in ihrem Wesen deutlich hervor. Als Richard zum drittenmale mit Erna zum Tanze antrat, da wirbelte ebenKurt vorüber und lächelte Richard so eigen an. Ein froher, sieges¬ trunkener Blick Richards war die Antwort. Erna und Richard unterhielten sich bald wie gute alte Bekannte. Welchen Gesprächsstoff immer auch Richard anschlug, Erna äußerte ihre Ansichten so ruhig und klug, daß es eine Freude war. Noch größeres Aufsehen als Richards Auftreten als Tänzer machte es natürlich, als man ihn nun stets in Ernas Gesellschaft sah. Die Frau Bankdirektor rümpfte die Nase, daß überhaupt heutzutage arme Schlucker in die beste Gesellschaft eindrängen und „bessere“ Leute nicht mehr wüßten, welche Veranstaltungen sie „beehren“ sollten, Professors Ilse fand, daß Ernas Kleid eigentlich nicht mehr modern und überdies kaum 50 Kronen wert sei, eine andere Ballmutter erzählte ihrer Nachbarin, daß der Herr Doktor Richard eigentlich gar kein Doktor sein soll, — aber glück¬ licherweise hörten die es nicht, die all die „Liebenswürdigkeiten“ angingen. Ernas biederer Vater und Richard tranken zwar noch nicht Bruder¬ schaft, aber sie waren schon gute Freunde, die einander achten gelernt hatten. Als es zum Aufbruche kam, wußte Richard schon, in welchem Kaffee¬ hause Ernas Vater seine Zeitung las und wo sie wohnten, und das war ihm vorläufig genug. Er begleitete die Aufbrechenden bis zur Saaltüre, und einem inneren Zwange gehorchend, flüsterte er Erna zu: „So wie Sie muß mein Mütterlein ausgesehen haben, — das liebste Wesen, das ich bisher kannte.“ Auf das „bisher“ legte er unbewußt einen so innigen Nachdruck, daß Erna betroffen und doch voll Freude zu ihm aufblickte * * * Zwei gute Menschen sahen einander auf den Grund der Seele und liebten sich. Als Richard gerade in den Ankleideraum gehen wollte, stieß er auf Kurt, der ihn kurzerhand in die heimliche Ecke zog, wo sie früher gesessen waren. Er winkte einen Kellner herbei und wieder funkelte in den Kristall¬ gläsern der feurige Wein. Wortlos stieß Kurt an. Da ergriff Richard das Glas und sagte, auf Kurts ersten Trinkspruch anspielend: „Möge mir eine Huldin gnädig sein, ditto Frau Venus mit ihrem glückbringenden Söhnlein! WEIIELILIEZIHALIELLEEEELIEIEILAAALMAAT Sämtliche Drucksorten prompt u. billigst in der Vereinsdruckerei Steyr.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2