Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

306 Haus, aber der Gründler ging nur mit wehem Herzen durch die Stuben und Kammern, die ihn fremd ansahen, neues Hausgerät stand an den Wänden, neue Bilder sahen auf ihn herab! — Wohl war das Haus einge¬ segnet worden, wie es des Landes Sitte war, aber ein Segen schien nicht über ihm zu schweben; denn kaum bewohnte der Gründler das Haus, da legte sich seine Frau nieder und das Fieber fiel sie an und am zweiten Tage verstarb sie. Nun stand sie in der guten Stube aufgebahrt, Kerzen flackerten, feucht und dunkel duftete der Lorbeer großer Kränze Die Dorfbewohner * * * * * kamen und beteten an dem Sarg, aber den Gründler selbst sahen sie nicht. Der Schmerz war zu groß für den Mann, daß er hätte ein Trostwort ertragen können, er irrte allein, wie ein angeschossenes Wild, in der Heide umher . . . Ekel am Leben würgte in seiner Kehle, sein Leben schien ihm zwecklos, schreckliche Gedanken zermarterten sein Gemüt ... Michael Gründler sah nicht, daß es Abend wurde und die Moornebel stiegen, er saß in einem Heideschuppen und starrte in die rinnende Nacht, er saß stundenlang, bis die Kühle ihn erschauern machte . .. Dann erhob er sich und ging langsam durch den Nebel .. Plötzlich — was war da — klangen da nicht Hilferufe aus dem Moor? Der Gründler stutzte, wirklich, gedämpft durch den Nebelbrodem hörte er deutlich: „Hilfe! Hilfe!“ Und er, dessen Herz voll Leides war, er begriff: hier galt es zu helfen. „Hoiho“ flog sein Ruf weithin über die Heide. „Hoiho“ kam es schwächer zurück ... Der Gründler ging dem Ruf nach, ihm waren die gangbaren Heide¬ wegebekannt, sein Schritt war gelassen und ruhig ... Da — am Rande des braunen Moores — da saß ein Mann im Sumpf, das Moorwasser — gurgelte bis in die Brusthöhe war der Mann versunken und der Gründler taumelte — der Mann war — sein Todfeind — war der Kotten¬ bacher! „Hilf mir, Michel,“ rang es sich bittend von den Lippen des Be¬ dauernswerten los . „Dir helfen?“ Hohnvoll lachte der Gründler, „dir helfen, ha, ha, jetzt ist meine Stunde gekommen. Sag', Kottenbacher, warum hast du bei Gott sag' die Wahrheit — warum hast du mein Haus angesteckt? Schauervoll bewegt bog der Gründler sein Ohr zu dem Erstickenden nieder. „Hilf mir, ich will's dir sagen, Michel, aber hilf mir.“ Rasend hämmerte des Mannes Herz. „Sag's, oder ich laß dich elend verkommen, das Moor ist schweigsam.“ „Michel —“ — Kottenbacher rang nach Atem, streckte die Arme aus, „Michel, ich war neidisch auf dich, auf dein Glück, auf dein Weib, da hab' ich denBrand legen lassen, verzeih' mir. Michel Gründler glaubte zu stürzen: „Aus Liebe — aus Liebe — zu meiner Frau?“ Schattenhaft stieg die Kammer der Toten auf, da lag sie fein und wachsweiß und schlief in Frieden, Kerzenlichter schimmerten ...

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