305 „Glaub' wohl, daß es euch leid tut, hättet gewiß gern mit löschen geholfen. „Bin zwar nicht gerade der Freund des Gründlers, aber als ein Christenmensch weiß ich, was sich schickt, gewiß hätt' ich geholfen.“ Er rückte ein wenig an seinem Hut, daß die Feder wippte, streichelte seinen Schnurrbart und sah herausfordernd den Schuster an * In der Stube war es lautlos still, schwer und drückend hing die Luft nieder, der Schuster wollte wohl etwas sagen, aber wozu Nesseln pflücken? Er schob das dickbauchige Bierglas beiseite: „Brandes, gib mir noch einen Schoppen!“ Alle wußten, wie es mit der Christlichkeit des Kottenbacher bestellt war, er hatte seinen geschnitzten Stuhl dicht am Hochaltar, aber seit Jahren saß nur seine Frau darin, aber keiner sagte etwas, man kannte des Kotten¬ bacher Gewalttätigkeit, wenn jetzt der Gründler käme, ja, dann würden — wohl bald die Stühle fliegen, aber der Gründler kam nicht Der * * Kottenbacher trank noch einige Schoppen, dann verließ er den „Goldenen Bären“ „Er ist halt ein Herrenmensch,“ sagte der Schuster „Gestern war er in der Stadt“, meinte Brandes, „also: was geredet und gemunkelt wird, ist wohl doch nicht an dem .. „Das sag' ich dir, Brandes, gewiß er war in derStadt — aber — na, unser Herrgott sorgt schon, daß die Bäume nicht in denHimmel wachsen.“ Dann rückte man zusammen, vergaß des Gründler, mischte die Karten und begann zu spielen. * * * Derweil lag der Gründler in der ausgeräumten Kammer seines Bruders auf dem Bett und konnte nicht schlafen .. .. Mit brennenden Augen starrte er in das Dämmern. Sein Herz haderte, er sah auf das Nebenbett: schlief denn sein Weib? — Sie hielt den Arm über das Gesicht gelegt. Michael richtete sich auf, hatte er diese Nacht der Schmerzen ganz allein? Da löste die Frau ihren Arm aus der Verschränkung und begann leise: „Du, Michel, tu dich nicht allzu sehr grämen, laß dein Herz nicht in Haß dunkel werden . . . Wer kann denn wissen, daß es der Kottenbacher war, es kann auch sonstwie angegangen sein, als ich's gewahr wurde, brannte schon der ganze Dachstuhl . .. Versprich mir, daß du den Kaspar Kottenbacher in Ruhe lassen willst!“ „Ich kann ja auch nichts beweisen, darum darf ich nichts sagen, aber in meinem Herzen lebt ein dunkler Brand, Haß, ich hasse den Kottenbacher, ich ver „Halt ein,“ rief halblaut die Frau, „halt ein, versündige dich nicht, denk’, daß der, der Haß sät, Haß ernten wird, denk' an unsere Kinder, sollen 77 die mit solchem Sündendruck groß werden? „Unsere Kinder, was haben unsere Kinder mit meiner Rache zu tun?“ „Laß es gut sein, Michel, ich möchte immerfort segnen, damit unsere Kinder in Segen aufwachsen. Da wandte sich der Mann zur Wand, preßte die Lippen fest zusammen, sein Herz haderte aber weiter, haderte die ganze Nacht hindurch. * * * Im folgenden Jahr begab es sich, daß das neue Haus des Gründler fertig an der alten Stelle stand. Es glich im Aeußeren sehr dem alten 20
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