Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

299 Schwanz hängen und brummte ingrimmig, denn die Küchenmägde hatten ihm heute noch keinen einzigen Knochen vorgeworfen. Die junge Gräfin Adelheid, die der Burgherr Eberhard, Sohn des Grafen Albert von Württemberg, erst vor einem Jahre geehelicht hatte, lag sterbenskrank in ihrer Kemenate, neben ihr in einer kunstvoll verzierten Wiege schlummerte ein holder Knabe. Der wußte nichts von dem schweren Leid, das er seinen Eltern gebracht hatte, die kleinen Fingerchen spielten leise über die von Mütterchens Hand gestickte Decke und träumte wohl einen wonnigen Traum, wie ihn nur die Unschuld zu träumen vermag. Bleich wie Wachs lag die von allen ob ihrer Güte geliebte Gräfin auf ihrem Schmerzenslager, soeben hatte ihr der greise Burgkaplan Anselm mit zitternder Hand den heiligen Fronleichnam gereicht, noch lag der Geruch Feigentalhimmel und Roßkopf. Der Klmsee mit Woising, der verlöschten geweihten Kerzen in der Luft und nun war es in dem Gaden wieder stille geworden. Nur einer wachte bei Mutter und Kind, gebeugt von qualvoller Sorge, Eberhard, der junge Burgherr. Er fühlte es, die Sanduhr dort am Fenster sie zählte ihm die letzten Stunden trauten Beisammenseins mit seiner innigst¬ geliebten Gattin vor, die kühle Herbstluft, die durch das offene Fenster chlich, deuchte ihm eine kalte Totenhand zu sein, die über die Wangen streicht, er schauerte und blickte trüben Auges hinaus in den Herbstmorgen, wo von der großen Schloßlinde langsam Blatt für Blatt zur Erde sank. Die Kranke schien zu schlafen und es war, als ob ein stilles Lächeln auf ihren bleichen Lippen spielte. Durch die Uhr rieselte langsam und stetig der Sand.

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