Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

Zur Neubegründung der Kunstschule für Stahlschnitt in Steyr. „Gott sei Dank und allen lieben Förderern.“ So lesen wir auf der schönen Gründungsplakette des Meister=Ateliers für Stahlschnitt in Steyr aus dem Jahre 1910. Ja, Gott sei Dank, so müssen wir auch jetzt sagen, da diese Kunstschule unter Professor Blümelhubers tatkräftiger Leitung neu begründet und in ihren Satzungen neugestaltet ist, welche nun zwischen Bund, Land und Stadt festgelegt sind. In den Kriegsjahren und in den schweren Nachkriegsjahren, die so vieles Schöne gefährdeten, war die vom seligen Bischof Rudolf eingeweihte, in ihrer Art einzig dastehende Kunststätte nahe daran, diesen schweren Jahren und einer Unsumme merkwürdiger, heute unverständlicher Hem¬ mungen zum Opfer zu fallen. Aber immer wieder siegte die Tatkraft des seltenen Künstlers, der nicht einmal vor der Härte des Stahls zurückschreckte. Im Gegenteil: dieses schwere Material, welches die Veranlagung des jungen Künstlers hätte erdrücken können, mußte seine höchsten Eigenschaften dem Meister für einen ausschließlich von ihm und daher ausschließlich bei uns in Oesterreich, bei uns in Steyr erblühten neuen Kunstzweig, den Stahl¬ schnitt, hergeben. Aus dem harten zähen Stahl schuf der Meister, spottend aller Widerstände, immer neue Werke; und immer höheren Kunstzielen galt sein Streben. Nicht allen war er verständlich, nicht alle förderten sein Werk. Aber um ihn scharte sich auch ein Kreis feinsinniger Menschen, die „Blümelhuber=Gemeinde“, welche es als Pflicht und Aufgabe betrachtet, dem Meister den Weg freier zu machen. Der Erfolg blieb nicht aus. In dem Maße, als die Kenntnis vom Wirken des Meisters in immer weitere Kreise drang, im selben Maße schrumpften die Widerstände zusam¬ men und vergingen an ihrer Sinnlosigkeit. Die Zahl der Anerkennungen mehrte sich und die Erkenntnis der Wichtigkeit der Erhaltung des bewun¬ derten österreichischen Kunstzweiges erfüllt auch die maßgebenden Stellen. Handelt es sich doch nicht um ein persönliches Interesse des Meisters, der als ein Pionier echt österreichischen Wesens die einmütige Anerkennung der Welt gefunden hat, sondern um die Fortpflanzung des neuen Kunstzweiges. Wir Oesterreicher können der Welt nicht durch Macht und Gewicht Achtung abnötigen, wohl aber imponieren wir ihr durch unser auf großen Traditionen aufgebautes, triebkräftiges österreichisches Kunstleben und wir können

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