Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1929

gimentskapelle der Alpenjäger von Linz ver¬ anstaltet. Die an diesem Abend stattgefundene Festspielaufführung, der auch Justizminister Slama und Landeshauptmannstellvertreter Langoth beiwohnten, klang in eine begei¬ sterte Kundgebung für Südtirol aus. Der Abend schloß mit Festabenden in mehreren Sälen der Stadt. Der nächste Tag, Sonntag, den 8. Juli, wurde wie der Vortag mit einem musikalischen Weckruf eingeleitet, worauf die Fortsetzung der Wetturnen folgte. Um 10 Uhr war am Festplatz Aufstellung zum Festzug, an ich über 130 Vereine mit über 4000 Tur¬ dem aus Oberösterreich, Salzburg und auch nern Niederösterreich, 80 Vereinsfahnen und aus vier Musikkapellen beteiligten. Der Marsch des Festzuges durch die Stadt war höchst im¬ posant. Die Turner wurden von einem dichten Spalier von Zuschauern mit Heilrufen und aus vielen Fenstern mit Blumensträußchen und Kränzen begrüßt. Die Spitze des Festzuges bildeten 10 Reiter, welchen der Bundesturn¬ rat mit dem großen Banner des Kreises 1 Wien=Niederösterreich) und der Kreisturnrat folgten. In dem Zuge waren auch mehrere reizende Kindergruppen in prächtig geschmück¬ ten Festwagen eingeteilt. In zwei weiteren Festwagen befanden sich die Jubilare des Ver¬ eines, und zwar die Herren Med.=Dr. Alber Clessin (55 Jahre Mitglied), Gustav Adol Preußer (49), Anton Wöß (48) und Karl Muckenhuber und Franz Pfingst¬ mann (je 40 Jahre Mitglied). Als der Fest¬ zug auf dem Stadtplatz angekommen war, er¬ eignete sich vor dem Hause Nr. 23 ein bedauer¬ licher Zwischenfall. Dort hatte eine Gruppe zumeist jugendlichen Sozialdemokraten von hinter dem Absperrseil Aufstellung genommen und als die zweite Fahnengruppe vorüber¬ schritt, wurde dem Fahnenträger des Turn¬ vereines Nußdorf am Attersee die Fahne, eine ehemalige deutsche Marine=Kriegsflagge, von unbekannten Personen entrissen und ge¬ raubt. Nachträglich wurde nur mehr ein ab¬ gebrochenes Teil des Fahnenschaftes vorgefun¬ den. Der disziplinierten Haltung der Turner die sich in der Nähe dieses Vorfalles befanden, daß dieser Fahnenraub war es zu danken, zur Folge hatte. Nachdem keine Weiterungen am Stadtplatz Aufstellung die Turnerscharen hielt Herr Landeshaupt¬ genommen hatten Langoth vom Balkon mannstellvertreter eine Ansprache, in der er des Rathauses aus betonte, daß diese Festversammlung zugleich eine Kundgebung für die Einheit des deutschen Volkes und den Zusammenschluß aller deut¬ chen Stämme sei. Als Vertreter der Stadt hieß hierauf Herr Bürgermeisterstellvertreter Dr. Messenböck die Turnergäste herzlich willkommen und sprach sein Bedauern über den stattgefundenen Zwischenfall aus, verwies aber darauf, daß der herzliche Empfang der Turnerschaft in Steyr seitens des Großteiles der Bevölkerung bewiesen habe, daß die Tur¬ 283 nergäste hier trotz alledem die freundlichste Aufnahme fanden. Kreisditwart Leistner aus Urfahr=Linz schloß mit warmen Dankes¬ worten und erklärte, daß sich die deutschen Turner durch nichts abhalten lassen werden, hre Arbeit im Geiste Jahns fortzusetzen. Tau¬ endstimmige Heilrufe und das „Deutschland¬ Lied in mächtigem Klange beschlossen die Kundgebung. Darauf folgte der Abmarsch der Turner mit einer Defilierung vor dem Fest¬ ausschuß und den Hororatioren. Um 2 Uhr nachmittags fanden die letzten turnerischen Vorführungen am Festplatze statt. Ein beson¬ derer Festakt war hier die Hissung der Fahne des Ebelsberger Deutschen Turnvereines, eben¬ falls einer reichsdeutschen Kriegsflagge, die vormittags gleichfalls in Gefahr gestanden war und schließlich eingerollt werden mußte. Den Schluß des Festnachmittags bildete die Preis¬ verteilung an die Sieger in den einzelnen Wettkämpfen. Viele der auswärtigen Gäste verließen schon in den Abendstunden, in denen noch verschiedene, auch tätliche Anrempelungen von Festteilnehmern seitens sozialdemokra¬ tischer Parteigänger erfolgten, die Stadt. Am Montag folgten noch vereinzelte Ausflüge in die Umgebung. Der glänzende Verlauf des Festes gereichte dem Deutschen Turnverein Steyr, dessen Vorstand Herr Landesregie¬ rungsrat Kaltenegger mit dem Festaus¬ chuß in monatelanger Vorbereitung wirklich Großes geleistet hatte, zur vollsten Ehre. Das ganze Fest war von schönster Witterung be¬ günstigt, das nur am 6. nachmittags durch ein Gewitter unterbrochen worden war. Die Fest¬ spielaufführungen im Schloßhof waren an den selbstver¬ Abenden während des Turnerfestes — Me¬ tändlich wieder massenhaft besucht. 150. Ge¬ dailleur Herr Karl Grün schuf zum burtstage Friedrich Ludwig Jahns eine Pla¬ kette, die anläßlich des Steyrer Kreisturnfestes in Steyr dem daselbst weilenden Bundesturn¬ rat überreicht wurde. Die Plakette wurde im Wiener Hauptmünzamt ausgeprägt. süd¬ Steyr. Nachmittags ging über den lichen Teil Oberösterreichs ein furchtbares Ha¬ gelwetter nieder, welches ungeheuren Schaden anrichtete. Das Unwetter war teilweise auch von einem heftigen Sturm begleitet. Schwer betroffen wurden unter anderen das Ennstal bis Altenmarkt hinauf sowie die Gebiete von Windischgarsten, Kremsmünster, Neuhofen, Kematen, St. Marien, Eberstallzell, Sipbach¬ zell, Niederneukirchen, St. Florian und Umge¬ bung. Am nächsten Tage besichtigte Herr Bundeskanzler Dr. Seipel, der gerade in Wels weilte, mehrere Hagelschadengebiete Lausa. Infolge Blitzschlages wurde um etwa 5 Uhr nachmittags das dem Besitzer Hans Lemerz in Lausa 90 gehörige Klammer¬ gütel eingeäschert. Das Haus war von der Familie des Bundesbahnpensionisten Ferdi¬ nand Wildling bewohnt, welcher der Gro߬ teil ihrer Habe verbrannte.

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