Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1928

19 Am 1. Juni ließ Fadinger ausrufen, daß die ganze Bürgerschaft und alle Inwohner auf das Rathaus sich begeben sollen. Dort wurde im Namen des Oberhauptmannes durch den Feldschreiber verkündet, daß die ganze Bürgerschaft und die Inwohner der Stadt „mit aufreckhung Zweyer Finger denen Pauren einen Aydt schwören sollen, daß Sie bey der Paurschafft Ihr Leib und Leben, Guett und Blueth Zusetzen und in allem Unterthänig sein wollen“. Der Chronist Zettl und etliche katholische Bürger entzogen sich der Eidesablegung, indem sie sich aus Steyr wegbegaben. Den 2. Juni machten die Bauern einen kranken kroatischen Reiter zu ihrem Gefangenen, warfen ihn über die Ennsbrücke und ertränkten ihn. Tagsdarauf bekamen die Bauern einen Prädikanten namens Andreo (vom Schlosse Dorf), welchen sie auf einem Wagen ins Lager führten, wo er unter großem Zulauf und zur großen Freude vieler Steyrer Bürger predigte. Zettl und andere Katholiken waren unterdessen beim Pfarrer in Neustift und begaben sich dann nach St. Sebald bei Gaflenz, wo Amt und Predigt gehalten wurde. Als sie nach Weyer kamen, trafen sie einen Boten, der Zettl nach Steyr zurückrief. Am 4. Juni wurde in des Stadtrichters Niklas Frizlers Behausung eingebrochen, denn einige Bürger hatten verraten, daß in einem Saale des Hauses über 20 Wagen voll unkatholischer Bücher liegen; einen Großteil der Bücher nahmen sie an sich, aber auch andere Gegenstände ließen sie mitgehen, so daß selbst der bauernfreundliche Madlseder Einhalt in der Ausplünderung des Hauses gebot und das Haus versperren ließ. Auch die Pfarrhöfe der die Stadt umgebenden Pfarreien wurden tüchtig geplündert. Den 5. Juni wurde abermals die gesamte Bürgerschaft auf das Rathaus befohlen und vor dem tagenden Rat — in dem sich auch zehn Bauern befan¬ den — verkündet, daß Oberhauptmann Fadinger, welcher den Vorsitz im Rathaus hatte, entschlossen sei, von seinem Heere 300 Mann allhier als Be¬ satzung zurückzulassen, denen die Bürgerschaft gutes Quartier nebst Essen und Trinken beizustellen habe. Dagegen wird gefordert, daß 200 Mann aus der Bürgerschaft mit den Bauern als Geiseln zu marschieren haben. Auf diese Bedingung wurde wohl eingegangen, denn mittags brach das Bauernheer auf, um sich nach St. Florian und Ebelsberg zu begeben; aber statt 300 blieben 400 Mann unter dem Kommando des Wirtes von Laakirchen namens Neu¬ müller zurück. Diese 400 Mann waren alle so wie der Kommandant aus der Laakirchener Pfarre. Am Fronleichnamstage konnte kein Umgang abgehalten werden, da kein katholischer Geistlicher vorhanden war. Den 20. Juni sind 200 Bürger auf Begehren der Bauern ins Lager nach Linz geschickt worden. Hauptmann war Kaspar Pruckhner und Fähnrich Georg Windter Kommissär und Feldschreiber Herr Mayr, gewester Gerichtsschreiber. Diese kamen aber nach 14 Tagen wieder zurück. Ein zweiter Prädikant kam am 1. Juli nach Steyr und predigte den Bauern vom Fenster des Reinhartenschen Hauses. „Vor dem Hause waren lange Penckh gesetzt, daß die Zuhörer sitzen konnten, wie in der Kirche.“ Die Häuser der Umgebung waren mit grünem Laubwerk geziert und alle Fenster zur Predigtstunde mit Zuhörern besetzt. Der Prädikant hatte auch im Sitz¬ keller Beichte gehört, manchmal 30 bis 40 Personen auf einmal absolviert, die Kommunion aber auf dem Tanzboden ausgeteilt. Er blieb fast einen Monat hier und hat ein „ergäbiges Beichtgelt“ bekommen. 23

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