18 Am frühen Morgen des 29. Mai 1626 wurde eine Ratsversammlung abgehalten, die sich mit der durch die bevorstehende Besetzung hervorgerufenen Lage der Stadt beschäftigen sollte. Wolfgang Madlseder, der schon lange ein aufrichtiger, fast fanatischer Anhänger der Bauern war, verstand es, alle Gewalt und die Leitung in der Ratsversammlung an sich zu reißen (viele Ratsmitglieder hatten sich ja geflüchtet), und so kam es, daß die Ankunft der Bauern in Steyr in einer für sie vorteilhaften Weise vorbereitet war. In der oben angeführten Ratsversammlung wurde ein vom Ober¬ hauptmann der rebellischen Bauern Stephan Fadinger an die Stadt geschicktes Schreiben verlesen, in dem es hieß: „Sie (die Bauern) Thetten sich hiemit anfragen, Ob Ein Ehrsamer Rath die Stadt willig und in guette will aufgeben, und sich der Gesambten Paurschafft will Unterthänig machen, Oder ob sich die Statt gegen Ihnen wöhren wolle. Der Rat beschloß die Uebergabe der Stadt, was um so weniger zu ver¬ wundern ist, da ja — wie bereits erwähnt — die Stadt ohne jede militärische Besatzung war. Daß man aber mit den Bauern gemeinsame Sache zu machen stark im Sinne hatte, zeigt der Umstand, daß mehrere Ratsherren, an der Spitze Madlseder, sich nach Sierning begaben, wo in der Wözl=Mühle ein Bauernausschuß tagte und wo man die Unterhandlungen wegen Uebergabe der Stadt pflog. Bald darauf schickte Fadinger einen Vortrab seines Heeres, 50 Bauern, in die Stadt, welche von Madlseder gar freundlich empfangen wurden und gute Quartiere zugewiesen erhielten. Die Bauern begannen sofort die Häuser der Stadt, insbesonders den Pfarrhof und die Klöster, nach katholischen Geistlichen zu durchsuchen. Im Dominikanerkloster fanden sie einen Frater namens Siegmund, den sie gefangen aufs Schloß führten. Nachmittags kam abermals ein Schreiben an den Rat, in welchem die Bauern mitteilten, daß sie „morgens fruehe zu Crembsmünster würden aufbrechen und mit ihrer ganzen Armada alhero auf Steyr Marschieren, solle sich daher die Stadt mit Fleisch, Wein und Brodt genuegsamb versehen, damit Kein abgang gefundten werde, dieweilen sie biß 40.000 Mann starkh Währen. Seitens des Rates wurde nun den Fleischhauern aufgetragen, Vieh zu schlachten, und den Bäckern, Brot zu backen. Am Pfingstsonntag, abends 6 Uhr, kam das Bauernheer tatsächlich an und bezog auf dem Feld beim Gottesacker ein Lager. Aus den nächst¬ liegenden Bauernhäusern raubte man das nötige Stroh, brach die Zäune nieder und baute Hütten „in so schöner Ordnung, alß wann es ein rechtes Kriegsheer gewessen“. Auch 20 Kanonen hatten sie bei sich. Der Oberhaupt¬ mann und die vornehmsten Rädelsführer hatten sich natürlich in der Stadt einquartiert. Sie hatten auch eine Prophetin bei sich („ein lediges Mensch"), „welche ihnen vill selzam Sachen vorgesagt.“ Redner und Feld¬ schreiber war ein Steyrer namens Kienast (Kuhnast). Noch am selben Abend nahmen die Bauern das Kloster Garsten ein, raubten Pferde und alles Vieh, natürlich auch den Wein und die Lebens¬ mittel, insbesonders aber machten sie Jagd auf Rüstungs= und Waffengegen¬ stände. Als Besatzung ließen sie 30 Bauern im Kloster zurück. Ebenso machten sie es im Gleinker Kloster, im Pfarrhofe zu Sierning, in der Burg zu Steyr; überall blieben kleine Besatzungen. Das Kapuzinerkloster, aus dem die Mönche ebenfalls geflohen waren, wurde um sechs Reichstaler von der Plünderung befreit.
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