Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1928

V 15 mäßiger“ aussehe, und schärfte ihm ein, er solle sich nichts gefallen lassen, und wenn ihn einer dumm anrede, solle er nur entgegnen: „Wennst net staad bist, hau i dir oane eine!“ Er behändigte ihm noch einen Taler zum Vertrinken und schob den braven Landmann zur Türe hinein. Als Nazi in dem glänzend beleuchteten Saale stand, als er die rauschende Musik hörte und als er auf das bunte Getriebe blickte, da stand ihm der Verstand still; infolgedessen stand auch er still und sperrte den Mund weit auf. „Den schaut's an, der ist gut!“ erscholl es plötzlich aus der bummelnden Menge, und alle liefen, um den Bauern zu betrachten. Das brachte den Nazi schier in Verlegenheit, die er durch ein freundliches „Hi, hi, hi — ha, ha, ha!“ zu verbergen suchte. — „Ausgezeichnet! Bravo!!“ — Allmählich erlangte der Nazi seine Fassung und er schob sich langsam vorwärts. Ueberall sah er Bauern — allerdings mehr Gebirgsbauern — und Bäuerinnen, die Leute juchzten und schrieen und gaben sich alle Mühe, so ländlich als möglich zu erscheinen. Das gefiel dem Nazi; eine so freie Gesellschaft hatte er noch nie auf dem Tanzplatz angetroffen; bei ihm daheim wären schon wenigstens ein halbes Dutzend an die Luft gesetzt worden, wenn sie sich so aufgeführt hätten! Bald fühlte er sich heimisch und er schritt auf den nächstbesten Tisch zu und nahm dort Platz. Ein Gaisbub bemerkte ihm, daß dies der Platz der Vorstandschaft sei, worauf der Nazi prompt erwiderte: „Wennst net staad bist, hau i dir oane eine!“ Eine stürmische Ovation folgte auf diese Aeußerung und Nazi setzte sich und packte aus. Zuerst kam das Schweinerne an die Reihe, dann als Nachtisch der Käse; eine Maß Bier hatte die Kellnerin ohnehin auf den Tisch des Hauses niedergestellt. Nazi ließ es sich schmecken; als er nichts mehr hatte, wischte er den mit Käse beschmierten Schnitzer an seiner Ledernen ab und erhob sich zu weiteren Taten. Gar bald hatte er ein sauberes Trutscherl entdeckt; mit Freuden folgte ihm das schöne Kind zum Tanze; so sehr sich alle bemühten, recht bäuerlich zu tanzen, so wie der Nazi brachte es keiner fertig. Diese Haltung — diese Fußbewegung! Wie ein Schneepflug glitt es durch die Reihen, links und rechts flogen die Paare nur so weg, und im ersten Augenblick war gar nicht zu zählen, wie viel erfolgreiche Hühneraugenoperationen er vorgenommen hatte. Nazi wurde immer fideler; er fing an zu schnackeln, zu pfeifen und zu singen; dazu trank er nach Leibeskräften, so daß er bald das höchste Ziel des irdischen Glückes erreichte — den unvermeidlichen „Suff“ Man hatte anfänglich seine Erscheinung und sein Benehmen als Glanz¬ punkt des Abends gefeiert; nach und nach wurden aber Stimmen laut, daß er jetzt anfange, zu übertreiben, und endlich wurde ein Ausschußmitglied ersucht, dem Herrn begreiflich zu machen, daß er sich mehr mäßigen solle. Der Herr Vereinssekretär Flinserl nahm infolge dessen den Nazi beiseite und sagte zu ihm: „Lieber Herr, Sie werden es nicht ungütig nehmen; Sie haben Ihre Rolle vortrefflich gespielt, aber es sind Wünsche laut geworden, Sie möchten — hm — hm — etwas rücksichtsvoller zu Werke gehen!" Leider war der Sekretär als Nachtwächter maskiert, und so, verächtlich den Mahner musternd, entgegnete Nazi: „Was willst, Hanswurscht?! Wennst net staad bist, hau i dir oane eine!“ Das war doch zu viel. Nun legte sich der Vorstand selbst ins Mittel; er war als behäbiger Dachauer Bauer kostümiert. Da kam er aber schön an! Nazi wurde grob; als sich mehrere Bauern um ihn versammelten, exzessiv. Der Herr Vorstand machte nochmals Vorstellungen. „Aber, mein Herr!“ sagte er, „seien Sie doch vernünftig; das geht doch nicht; Sie benehmen sich ja wie ein wirklicher Bauer!“ Nazi fühlte sich dadurch nicht betroffen und krakeelte weiter. Da wurde das Oberhaupt des Vereines wild. „Jetzt

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