Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1928

14 Der wirkliche Bauer auf dem Stadt¬ bauernball. In der gemütlichen Vereinigung „Die ganz Andern“ war die Abhaltung eines Bauernballes beschlossen worden. Im Laufe der hiewegen gepflogenen Beratungen wurde zwar von verschiedenen Rednern zugegeben, daß die Idee nicht gerade zu neu sei, aber die Vorliebe für den ungezwungenen Verkehr und für die leicht zu beschaffenden Kostüme gab den Ausschlag; man einigte sich für ein Kirchweihfest in Duhlhausen. Alle waren damit zufrieden; nur ein einziges Ausschußmitglied wollte sich gar nicht belehren lassen, daß der ländliche Abend den Wünschen der Teilnehmer am besten entspreche. Es war der Maler Schnipfl, ein junger Künstler; dieser junge Mann glaubte immer, mit neuen Ideen auftreten zu müssen, wodurch die alten Traditionen er¬ barmungslos über den Haufen geworfen worden wären. So hatte er für die fragliche Faschingsunterhaltung ein „Rendez=vous der Sternenwelt“ be¬ antragt. Es hätten dabei nicht die einzelnen Sterne, wie Jupiter, Mars Venus usw., sondern auch die vermeintlichen Bewohner der Himmelskörper erscheinen können; für die Wahl der Kostüme wäre der weiteste Spielraum gegeben gewesen. Der Antrag fiel glänzend durch; ja man trieb den Spott darüber so weit, daß man dem guten Schnipfl zurief, er könne trotzdem als Mondkalb erscheinen. Schnipfl verschloß den Glühofen seiner Wut und sann auf Rache. Nach langem Nachdenken entkeimte seinem Gehirn eine Idee, und es gelang ihm, sie nach Wunsch zur Ausführung zu bringen. Am Tage des Vereinsballes begab sich Schnipfl in ein dem Bahnhof nahegelegenes, von der ländlichen Bevölkerung sehr stark besuchtes Wirtslokal und setzte sich dort mitten unter die anwesenden „Feldherren: Gar bald war es ihm gelungen, sich in die Unterhaltung zu mischen und insbesondere das Vertrauen eines schäbigen, aber waschechten Landmannes zu gewinnen. Derselbe war in einer Streit¬ sache bei Gericht gewesen und beabsichtigte, abends heimzukehren. Schnipfl begeisterte ihn jedoch dadurch, daß er eine Maß nach der anderen zahlte,so sehr für die Kunststadt München, daß der Loablhofer=Nazi recht gern dablieb. Als er ihn in der richtigen Stimmung hatte, fing er an, sein Netz auszuwerfen. Er fragte: „Nazi, magst net amal auf ara Fastnachtsmusi gehn, wo 's recht damisch zuageht und 's Tanzen nixi kost'?“ Der Nazi riß die Augen auf und sagte: „Des söll scho'!“ Daraufhin fuhr Schnipfl weiter: „Hast a Kuraschi?; Nazi antwortete prompt: „Des söll scho'!“ Nach dieser Erklärung schritt der Künstler zur Ausführung seines Planes. Er teilte dem Nazi mit, daß heute der Faschingsball eines Vereines stattfinde, zu dem jeder Bauer freien Zutritt habe, weil auch die Stadtleute alle als Bauern verkleidet kämen. Der Nazi nahm den Köder an und erklärte sich bereit, den Ball zu besuchen, schon der schönen Weiber und Mandl halber, welche ihm Schnipfl in Aussicht gestellt hatte. Letzterer versorgte den Nazi noch mit einer Eintrittskarte und kaufte den nötigen Mundvorrat; er ließ sich in der Küche ein ordentliches Stück gesottenes Schweinefleisch einwickeln, dann kaufte er auf dem Wege zum Ballokal noch ein Stück feinsten Limburger sowie ein Trumm Schwarzbrot, auch vergaß er nicht, seinen Schützling mit einer Anzahl feiner Havannas zu 2 Pfennig das Stück zu versehen. Er geleitete ihn bis an das betreffende Gasthaus; vorher schminkte er den Nazi noch ein wenig, damit er „maschkerer¬

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