Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1928

8 im Orte gewütet, und lachend fragte der Spielmann, ob denn der Brandstifter glücklich erwischt und gehängt worden sei. Nun erfuhr er, daß Philipp, der fand Rauchfangkehrergeselle, als Brandstifter im Kerker sitze, und niemand ein Wörtlein für den Armen, im Gegenteil, häßliche Worte entströmten den übelriechenden Mäulern. Der übermütige Spielmann aber verstummte und sah stier vor sich hin. Dann lachte er, schuttelte den struppigen Kopf und rief: „Na, da hat man den wahren nicht erwischt; ich wüßte schon, wer es getan.“ Erschrocken verstummte er. Seine Mitzecher gröhlten und lachten: „Ei, da hättest du dir ein gutes Fanggeld verdienen können; kommst halt überall zu spät.“ Der Wirt aber warf einen lauernden Blick auf den Spielmann, und als dieser die Stube verlassen wollte, um draußen auf einem Heuschober oder in einer Scheune zu übernachten, da bot er ihm ganz harmlos ein Nachtlager im Hause an und füllte den Becher nochmals mit dem höllischen Getränk bis zum Rande. Und der Spielmann trank, als wollte er ein Feuer löschen, das in seiner Brust wütete, dann fiel sein schweres Haupt vornüber auf den Tisch. In aller Früh ließ der Wirt die Landjäger kommen und teilte ihnen das Gehörte mit. Unsanft wurde der Spielmann aus dem Schlafe gerüttelt und erschrocken blickte er auf die beiden Wächter des Gesetzes, denen er sonst in weitem Bogen aus dem Wege ging. Und als ihm einer auf den Kopf zusagte, er habe damals das Feuer gelegt, da zuckte er zusammen, er suchte hellauf zu lachen, aber das Lachen blieb ihm in der Kehle stecken und er gurgelte bloß hervor: „Woher weiß man es?“ So hatte er sich selbst die Schlinge um den Hals gezogen. Wie ein Lauffeuer ging die Kunde von dieser Neuigkeit durch den Ort. Man besprach erregt das Für und Wider. Wenn das Zünglein an der Glückswage sich auf die andere Seite zu neigen beginnt, da ändern sich der Menschen Gesinnungen schneller, als der Wind von einer Seite auf die andere springt. Bald fanden sich einige, die es ohnehin gedacht hatten, daß der Philipp unschuldig sei, und andere meinten, der alte Richter, Gott hab’ ihn selig, hätte halt doch die Sache nicht recht verstanden. Als gar der Schulze ins Gerichts¬ gebäude ging und fragte, wie es denn eigentlich stehe, und als ihm mitgeteilt wurde, daß Philipp unschuldig sei, da trommelte der Gute die Gemeinderäte zu einer Sitzung zusammen und meinte, man solle doch dem armen Opfer der blinden Gerechtigkeit irgendwie für die langen Jahre schrecklicher Kerker¬ haft einen Ersatz bieten. Einer der reichsten Gemeinderäte wehrte aber gleich ein etwa geplantes Attentat auf seinen Geldbeutel ab und fand bei den anderen verständnisvolle Zustimmung. Doch weil man schon einmal wegen der Ge¬ schichte beisammen wäre und es doch hübsch aussehe, wollte man den unschul¬ digen Philipp bei seiner Freilassung feierlich vor dem Gerichtsgebäude er¬ warten, der Schulze könne ja eine entsprechende Anrede halten, und wenn die Musikanten einen schönen Tusch bliesen und ein paar lustige Stücklein spielten, so müsse das den Philipp doch ehren. Zudem sei es nicht kostspielig, es käme in die Zeitung und man stünde halt schön da. Der alte Pfarrer konnte wenigstens einen Zusatzantrag durchsetzen, man solle nämlich dem Philipp den Rauchfangkehrerposten überlassen, da sich der Meister ohnehin schon gern zur Ruhe setzte. In gehobener Stimmung gingen die Gemeindeväter aus¬ einander. * * * Der große Tag war gekommen. Der Richter hatte Philipp in seiner Zelle aufgesucht und ihm das Geschenk der Freiheit gebracht. Er hatte so manches geredet über bedauerliche Justizirrtümer und überdies sei Philipp ja noch

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