Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1928

* 7 auch sie denke wohl jetzt schlecht von ihm, auch sie habe ihn vergessen wie alle anderen. Und sein Herz, das früher voll Sonnenschein gewesen, es wurde nun ganz leer, und er wunderte sich selbst manchmal, daß dieses zertretene Herz überhaupt noch schlage. Nach längerer Zeit wurde seine Haft etwas ge¬ mildert. Philipp durfte im Garten arbeiten und mancher Mitsträfling, sogar Justizdiener, wollten manchmal ein Stündlein mit ihm plaudern. Philipp hatte sich ja im Gefängnis nicht das Geringste zuschulden kommen lasen. Er murrte nicht wie die anderen, er tat jede Arbeit ohne Widerspruch. Aber er schwieg wie das Grab und niemand konnte ihn zum Reden bewegen, nie flog ein Lächeln über seine Züge, er war und blieb verschlossen. * * * Es war rund zehn Jahre nach dem großen Brande in Sch., da kam jener wandernde Spielmann, der den Brand gelegt hatte, wieder in dieses Dorf. Die Tat, die er damals begangen hatte, ließ ihm keine Ruhe. So lange Zeit hatte er den Schauplatz seines Verbrechens gemieden, indem er wohl hoffen mochte, allmählich zu vergessen, was er in leidenschaftlichem Haß gesündigt. Nun war er noch heruntergekommener als damals und man sah es ihm an, daß der Schnapsteufel ihn ganz in den Krallen hatte. In einem Wirtshaus kehrte er ein und spielte den Leuten auf seiner alten Geige wieder jene herausfordernden, kecken Liedlein vor, mit denen er verkommene Gesellen schon so manche Nacht ergötzt hatte. Niemand kannte ihn. Und Kupfermünzen, hie und da ein Silbersechser, fielen haufenweise in seinen schmierigen Hut. Und der Spielmann trank und es schien, als sei seine Gurgel glühendes Eisen, und um Mitternacht war in der Schenke niemand mehr nüchtern als der griesgrämige Wirt. Einige Zeit lallte der Spielmann unverständliches Zeug und es schien schon, als sollte ihn der Fusel unter den Tisch zwingen. Aber so ein rechter Trunkenbold, der kämpft mit dem Schnaps¬ teufel wie ein Raubritter mit den Häschern der hohen Obrigkeit. Das Lallen verlor sich und auf einmal begann der Spielmann zu er¬ „ zählen — in abgerissenen Satzen, aber verständlich und inhaltlich zusammen¬ hängend. Zuerst war es die frech erzählte Geschichte seines verfehlten Lebens. Von seinem Vaterhaus sprach er, wo Ordnung herrschte und ein gewisser Wohlstand, von der strengen Zucht berichtete er mit bitterem Lachen, durch die man ihn zu einem ordentlichen Menschen machen wollte. Sein Vater hatte ihn auf eine höhere Schule geschickt, da es dem Knaben an Talent nicht mangelte. Doch noch als halber Jüngling geriet er schon auf Abwege, die kleinen Verirrungen gebaren immer größere, er fand keinen Halt, da ihn nur schlechte Freunde umgaben, und so war bald das Leben, die Zukunft für ihn verpfuscht und verdorben. Zu einem Handwerk dünkte sich der junge Mann zu gut und zur Rückkehr in bessere Lebensbedingungen war es zu spät und es fehlte auch am Willen. Das einzige, was vielleicht als Fünklein edler Empfindung in seiner Brust lebte, war die Liebe zu seiner Geige. Zu gutem Spiel hatte er es wohl nicht gebracht, aber immerhin konnte er so viel, daß er sich mit seiner Geige vielleicht auch ehrlich durchs Leben hätte schlagen können. So kam er aber jung auf die Landstraße, und wie weit sie ihn auch führte, zu einem besseren Lebensziel führte sie ihn nicht. „Und so bin ich denn der lustige Musikant, die Straße ist meine Heimat, sie wird auch mein Toten¬ — bett. Und darüber hinaus — ah bah, das sind dumme Märchen. Zur Fiedel griff er wieder und mit heiserer Stimme sang er sein keckstes Liedchen. Mit schrillem Mißklang riß eine Saite. Und plötzlich, niemand wußte später, wieso es kam, da wurde auch vom Brand geredet, der vor zehn Jahren

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