Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1928

6 von der Gluthitze und seine Hände von den Rettungsarbeiten halb verbrannt. Der Verdacht lag nahe, daß Philipp durch Unvorsichtigkeit bei seiner Arbeit den schrecklichen Brand verschuldet habe. Als man ihn im Gerichtsgebäude einem Verhör unterzog, da stammelte er unzusammenhängende Antworten und diese seine Unsicherheit legte der verknöcherte Richter als Schuld¬ bewußtsein aus. Philipp war es, als ob eine Welt in ihm eingestürzt sei. Er konnte es nicht fassen, daß man ihn, der noch keinem Tierchen ein Leides getan, einer solchen Schuld für fähig halte. Wie ein Kind blickte er mit weit geöffneten Augen seinen Richter an, dessen harte Züge keine Spur von Mitleid und Empfinden zeigten. Er unterschrieb das Blatt Papier, das ihm der Richter am Schlusse des Verhöres vorlegte. Die Buchstaben tanzten vor seinen Augen einen höllischen Reigen und keines der Worte, die ihn mit krausen Zügen anzuglotzen schienen, verstand er in seiner Bedeutung. Wie ein weid¬ wundes Reh preßte er aus seiner gequälten Brust nur die Worte hervor: „Ich bin unschuldig.“ Der Richter aber zuckte die Achseln, ohne eine Miene zu verziehen, und so wurde Philipp ins Gefängnis geführt und taumelte in sinnlosem Schmerze auf das harte Lager hin. Es kam ihm vor wie ein böser Traum und er raufte sich die Haare, als wollte er sich wachrütteln. Langsam kam er erst zu dem fürchterlichen Bewußtsein seiner Lage. Es war ihm, als müßte ihn die kahle, feuchte Mauer erdrücken, und das bißchen Licht, das durch das enge Fenster in die Zelle fiel, schien seines Elends zu spotten. Es kam der Tag der Gerichtsverhandlung. Und da sah Philipp, wie die Leute gar so wandelbar sind. Keiner getraute sich, Günstiges für ihn auszu¬ sagen. Ja, einige schienen sich zu plagen, um ja etwas für ihn Nachteiliges zu finden. Nur die Traudel sagte mit leiser, bebender Stimme, daß er der beste Mensch sei, und dabei schweiften ihre tränenerfüllten Blicke hinüber zur Anklagebank und Philipp sah noch einmal das liebliche Gesicht, das allerdings jetzt recht blaß und verhärmt war. Das Urteil lautete auf fünfzehn Jahre schweren Kerker. Philipp schien es nicht verstanden zu haben. Er murmelte nur mit lallender Stimme vor sich hin: „Unschuldig, unschuldig.“ * * * Winter und Sommer zogen wechselnd durchs Land und die neuen Er¬ eignisse verdrängten bald im Dorfe die Erinnerung an den Brand und den „Brandstifter“. Die Dächer der neugebauten Häuser waren schon wieder dunkel geworden und noch immer schmachtete Philipp in schwerer Haft. Traudel war in die Ferne gezogen, denn man sah sie, die Liebste des verruchten Brandstifters, mit scheelen Augen an. Man wich ihr aus und niemand wollte mehr das altersschwache Häuschen des Flickschneiders betreten. In der Ferne vergaß Traudel des geliebten Mannes nicht. Sie allein glaubte an seine: Unschuld, sie weinte um ihn und betete für ihn. Und ein großes, starkes Vertrauen wächst wie ein Bäumlein in ihrer Brust empor, das Vertrauen, daß Philipps Unschuld an den Tag kommen müsse, und dabei klang wie ein fernes Glockengeläute die Hoffnung mit, daß noch alles, alles sich zum Guten wenden werde, daß ihr das Glück noch einmal lächeln müsse. Philipp aber wurde im Kerker ein ganz anderer Mensch. Die stumme Verzweiflung verwandelte sich nach und nach in hadernden Trotz gegen das Schicksal, in bitteren Haß gegen die Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit der Menschen. Wenn die Erinnerung an Traudel ihn in seiner Einsamkeit tröstend aufsuchen wollte, da wies er unmutig diese Gedanken zurück, er redete sich ein,

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