Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1928

5 Immer bitterer wurden die Gedanken des fahrenden Spielmannes, als er hinter dem Hofe sich gegen den nahen Wald wandte, in dessen Schatten er sich niederwarf. Wenn der Teufel eine arme Menschenseele einmal mit seinen Krallen erfaßt hat, da gießt er immer mehr Haß und Zorn in das verletzte Herz, bis die dunkle Rachsucht auch das letzte Winkelchen erfüllt und die letzten guten Geister erwürgt, und dann zieht es sich vom Herzen in den Kopf, verdunkelt die klare Vernunft und gibt dem Willen einen gewaltigen Stoß, bis das Verbrechen klar vor den Augen steht und lockt, bis es kein Zurück mehr gibt. Der Fiedler hatte im Waldesschatten seinen Plan gefaßt. Er gab genau acht, von welcher Seite der Wind blies, und er rechnete sich im Geiste aus, wie die funkelnden Schlänglein von einem Strohdach zum anderen hüpfen mußten, bis sie, unheimlich groß geworden, mit höllischem Singen Hab und Gutdes neidischen Bauern ergreifen würden. Philipp kroch nach getaner Arbeit durch eine Dachlucke in den Boden¬ raum, als der fahrende Geselle mit hohnlachendem Gesicht von rückwärts heranschlich, sich emporstreckte und mit dem brennenden Schwefelholz das überhängende Strohdach in Brand steckte. Rasch blickt er nach allen Seiten, ob ihn niemand sehe. — Doch Mittagruhe lagert über dem Dorfe. Dann sprang er in langen Sätzen zurück in den Wald und ein schrilles Lachen flog zu den Baumwipfeln empor, so daß die Vöglein aus ihrer Mittagsruhe aufgescheucht wurden und mit ängstlichem Zwitschern aufflatterten. Philipp aß noch in der Stube bei den Leuten und ließ sich einige gebratene Erdäpfel munden, während draußen auf dem Dache die züngelnden Flämmchen empor¬ leckten, sich rasch ausbreiteten und vom kräftig einsetzenden Winde entfacht und weitergetragen wurden. Schon vereinigen sie sich, schießen empor, das Strohdach beginnt zu knistern, die ausgedörrten Balken fangen wie Zunder Feuer und jetzt erst gewahrt ein längs den Häusern dahinschleichender, von der Hitze ermatteter Arbeiter den roten Hahn auf dem Dache. Er starrt einen Augenblick auf die aufsteigenden Rauchwölklein hin und dann entringt sich seiner Brust der gellende Schreckensruf: „Feuer! Feuer!“ In wenigen Sekunden tönt es im ganzen Dorfe: „Feuer!“ Aber so rasch die Leute aus den Häusern eilen, um zu retten und zu schützen, ebenso rasch, ja noch geschwinder greift das gefäßige Element um sich und schon springt es über auf die Nachbargebäude, schon fliegen die brennenden Strohbüschel und Holz¬ schindel auf die Dächer und niemand weiß mehr, wo anpacken, wo retten. Philipp ist fast der einzige, der den Kopf noch am rechten Flecke hat. Als hätte er die Kraft von zehn Männern, so arbeitet er, um das brüllende Vieh aus den Ställen zu bringen und wertvolle Hausgeräte aus den brennenden Gebäuden zu tragen. Durch den Wald läuft der fahrende Geselle, empor zum Gipfel des Berges und blickt hinunter auf sein Werk der Rache und denkt nicht, daß er Unschuldige traf und daß sein Handeln teuflisch war. „Mein ist die Rache,“ so frohlockt es in ihm und er packt die Fiedel und spielt sich ein wildes Lied, das er schon manchmal volltrunkenen Zechern vorgespielt hat, wobei sie gröhlten und klatschten. Jetzt aber begleiten seine Lieder das Wimmern der Sturmglocke und das Prasseln einstürzenden Gebälkes. * * * Die Landsoldaten forschten sofort nach der Ursache des Feuers und vom Brandplatze weg verhafteten sie Philipp, der wie von Entsetzen gelähmt, ohne ein Wort zu sagen, ihnen zum Gerichte folgte. Noch war sein Haar versengt

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