hingegen in Belgien und Frankreich die tärksten Festungen vor deutschen Kanonen und österreichischen Motorbatterien in Schutt und Asche krachten — nun erst erfaßte Michl Hagenauer die ganze Größe seiner Aufgabe. Mit einem Schlage hatte er seinen Platz mitten unter den Streitern gefunden; auf keinem anderen konnte er dem Vaterlande besser dienen! Mit allem Können, mit aller Hast und Freude legten sich nun seine Hände an das neue Werk. Tag und Nacht brodelte das Erz im Ofen, schwere Hämmer dröhnten und au langer Drehbank formte sich kreischend Rohr um Rohr. Trat er nach solchem Tagwerkzu Lukrezia, so war er frohgemut und klagte der nicht, wie schwer die Arbeitslast Kriegszeit sei. Wo können wir noch helfen, war fast täglich seine Frage; dann zählte er in seinem Kästchen die Zigarren, formte sie zu einem Pack und sandte sie am nächsten Morgen ins Spital. Dann wieder bat er Lukretia, etliches aus seinen Wäschestücken zu wählen; denn deutsche Gefangene in Frankreich hatten bitterste Not am Nötigsten. Wollsachen, Schoko¬ lade, Bäckerei, Fruchtsäfte, Bücher, das alles wanderte als Liebesgabe an die Front und in Spitäler. Es war ein täg¬ liches Beschenken und Bescheren, ein Freudbereiten wie zur Weihnachtszeit! Arbeiten und Schenken, das schönste, was ein edler Mensch genießen kann, füllten damals Michls Tage. Aber nach und nach mußte das mil dem Schenken selbst im wohlhabensten Hause ein Ende nehmen; denn England in seiner seebeherrschenden Stellung hatte über die Mittelmächte die Hungerblockade verhängt und diese war gar bald keine leere Drohung mehr geblieben. Immer schmäler und schmäler wurden tatsächlich alle Vorräte und schließlich begann die Not um sich zu greifen. Eingekeilt auf einem kleinen Fleck Erde sollten alle Hungers sterben. Die Rechnung der Feinde war gut ausgeklügelt, aber von einem wußten sie nicht: in den letzten Jahren vor dem Kriege waren viele Michl gewachsen, 97 Michl mit derben Fäusten, starken Armen, groß an Kraft, aber am größten im Ent¬ behren.— Entbehren! ein leichtes, fast innloses Wörtchen für die satten Feinde, wurde zur Heldenkrone der Deutschen und ihrer ach so wenigen Freunde. Wie nahe waren da oft viele am Ver¬ zagen, am Niederbrechen im Schmerze dieser Krone, die täglich schwerer wurde, weil sich kein Engel zeigen wollte, die blutigen Dornen von der Stirn zu lösen. Schon jubelten die Feinde bei solchen Zeichen, doch immer war es noch zu rüh; denn noch gab es etliche, die ihre Leidenskrone aufrecht trugen, als eifernd Beispiel tausend Halbverzagler: das waren die ungenannten Generale des Hinterlandes, die treuen Meinharde ver¬ chüchterter Kinder. Und so einer war auch aus Michl Hagenauer geworden. Der Krieg hatte seine Werkstatt ge¬ waltig vergrößert. Ueber hundert Gesellen mühten sich darin treu und hielten fürs Vaterland aus, um durchzuhalten. Wollte einer niederbrechen, Michl war da und half und hob. Wunder wirkten seine Worte; denn er selbst lebte sie allen vor. Jeder Geselle hatte des Meisters braunes Haar gekannt, jetzt zogen sich graue Silberfäden durch, auch kannten sie den —Bei all den Tisch, bei dem er saß. Sorgen eines tüchtigen Meisters, hob er den Hammer, stand am Feuer oder an der Drehbank wie einer nur und alle wußten doch, wie Frau Lukrezia klagte, weil sich ihr Mann nicht die geringste Erleichterung erlaubte. Von seinem Tisch hielt er schon längst das Bier fern. „Macht Brot für Kinder, wir brauchen etzt kein Bier, den Wein gebt ins Spi¬ tal, wir haben ohnehin zu schweres Blut ür diese schweren Zeiten!“ Wer wollte bei solchem Beispiele esser leben, weniger arbeiten und sich mehr verschonen? — Englands Hunger¬ blockade war einmal da und konnte mit den wenig ausreichenden Mitteln nur gebrochen und unwirksam werden, wenn in allem der sparsamste und ehrlichste Haushalt gesichert blieb, wo jeder seinen
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