Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

80 schwerer Strafe brachte eine alte Weste, die er mit anderen Kleidungsstücken ver¬ pfändet hatte. Der Mann wurde bald danach wegen Einbruchs verhaftet, und nicht weniger als sieben Zeugen erklärten in ihm den Einbrecher wiederzuerkennen Er aber behauptete, er habe sich zu der Zeit, in der das Verbrechen verübt wurde, gerade auf einer Omnibusfahrt befunden und der Fahrschein müsse noch in einer alten Weste sein, die er beim Pfandleiher habe. Tatsächlich wurde in der alten Weste der gelochte Fahrschein gefunden, dessen Zeitangabe seine Schuldlosigkeit bewies Dokumente werden nicht selten in Lum¬ pen entdeckt. So fand man in einem alten Rock, der einer verstorbenen Frau gehört hatte, Staatspapiere im Werte von 4000 Mark. Sie hatte diese Anlage vor ihrer Verheiratung gekauft, dann aber augenscheinlich vollkommen ver¬ gessen. Ihre Töchter fanden die Wert¬ papiere in dem uralten Kleidungsstück und waren sehr überrascht, da die Mutte die letzten Jahre vor ihrem Tode in großer Not gewesen war. In dem Futten eines Männerrockes verborgen wurde vor kurzem ein Testament gefunden, das 10 Jahre vorher gemacht und rechts¬ gültig unterzeichnet worden war. Die Folge dieses Fundes war, daß ein Verwandten des Erblassers, der schon längst nicht mehr auf etwas gerechnet hatte, in der Besitz eines schönen Vermögens gelangte. Ein anderes Testament wurde ebenfalls unter Lumpen entdeckt, war jedoch nich unterzeichnet und daher ungüllig. Das Vermögen des Testators, der keine recht¬ mäßigen Erben hinterlassen, war an die Krone gefallen. Trotzdem wurde das Testament anerkannt, und einige Freunde des Verstorbenen erhielten beträchtliche Legate. Wohl der merkwürdigste Fund. der unter Lumpen je gemacht worden ist, war eine Heiratsurkunde, auf die ein Händler mit alten Kleidern stieß er bewahrte sie sorfältig auf, weil „man ja nicht wissen könne". Jahre nachher befand sich einer seiner Kunden, dem er die Urkunde oft gezeigt hatte, auf dem Gericht, als zufällig ein Prozeß wegen Bigamie verhandelt wurde. Der Ange¬ klagte bestritt alles und erklärte, daß er die Frau, die behauptete, seine Ehegattin zu sein, niemals gesehen habe. Der zu¬ ällige Zeuge erinnerte sich aber daran, daß der Name des Angeklagten auf der Heiratsurkunde gestanden hatte: man schaffte das Dukoment herbei, und der Mann wurde daraufhin verurteilt. Masken statt Photographien. Die Mode, statt einer Photographie einen Abguß von dem Gesicht nehmen zu lassen und die Maske aufzubewahren oder zu verschenken, hat sich in den Vereinigten Staaten immer mehr ein¬ gebürgert und findet jetzt auch in England größere Verbreitung. Der beliebteste Maskenanfertiger in London ist ein französischer Bildhauer, Charles Herman, der diese Kunst bereits von seinem Vaten erlernte, sie seit einem halben Jahrhundert ausübt und schon 1600 solcher Masken verfertigt hat. Wie er in einem Londoner Blatt erzählt, kam die Anfertigung von Gesichtsmasken vor mehr als einem halben Jahrhundert zuerst in Paris als Mode auf. „Damals veranstaltete man in den Kreisen der Künstler und der Lebewelt „Leichendiners“, erzählt er, „bei denen man auf Särgen speiste und ein Skelett auf dem Tisch stand. Zum Schluß ließ man sich eine Gesichtsmaske machen, und ich habe solche Masken auch von Liszt und Richard Wagner genommen.“ Ein alter Nager. Das erste Beispiel einer süd¬ amerikanischen Tierart, die bisher noch nie lebend nach Europa gelangte, wird jetzt im Londoner Zoologischen Garten gezeigt. Es handelt sich um ein Nagelier, das zwischen dem süd¬ amerikanischen Paca und dem Meer¬ schweinchen steht.

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