bar, der Reitberger=Hiesel zu uns in die Stube und erklärt fest und feierlich: „Mor¬ gen tu' ich auf Degendorf um Ferkel weil ja Saumarkt ist. Und diesmal pro¬ pier' ich's einmal mit der Eisenbahn. Was sagst du dazu, Michel?“ Mein Vater billigt den Entschluß des Anfragers sowohl der Ferkel als auch wegen der Eisenbahn. „Denn“ sag mein Vater, „was man zu Fuß anden Schuhen herunterreißt und unterwegs in den Schenken an der Waldstraße ver¬ * kinkt, dafür zahlt man das Fahrgeld drei= bis viermal.“ Dieser Bescheid leuchtet dem Hiesel ein. Denn wo er ein paar Pfennige er¬ sparen kann, da ist der Hiesel ganz bei der Sache. Jedoch einem Manne, dem sein Leben fast ebenso lieb ist wie sein Geldbeutel, steigt ein bitteres Bedenken auf: „Wie ist's aber, Michel, wenn's ein Unglück gebe auf der Eisenbahn?“ „Ein Unglück“ bescheidet mein Va¬ „kann's auf der Waldstraße auch ge¬ ter, ben durch einen fallenden Ast oder einen 77 sturzenden Baum. Ein Unglück kann's auch daheim geben. In der Stube kann dich ein Uhrgewicht erschlagen, im Stall kann dich ein Stier stoßen, auf der Wiesen kannst in die Sensen fallen und im Bett kann dich der Schlag treffen! „Da hast recht, Michel! da hast recht! sin¬ bestätigt der Hiesel eifrig. Und dann niert er eine ganze Weile vor sich hin als hätte er doch ein Bedenken. „Man kann nie wissen, was eine Sache, die man das erste Mal macht für einen Ausgang nimmt. Und von den Eisenbahnen hört man halt gar allewei soviel* * * Paß auf, Michel, gib mir deinen Buben mit, den Franzl ...Ich geb’ schon Obacht drauf, daß ihm nichts passiert .. und zechfrei halt' ich ihn auch. Mein Vater schwankt noch. Der Hiesel schaut die längste Zeit wie ein Haftelmacher, dann spielt er ei¬ nen letzten Trumpf aus, den auch mein Vater nicht mehr abtrumpfen kann „Weißt, Michel, es ist nicht wegen dem Unglück, das es geben könnt' auf der Eisenbahn, es ist wegen dem Lateinischen. 53 Wie ich hör' ist alles lateinisch auf der Bahn, die Stationen stehen lateinisch an¬ geschrieben und sogar die Billettln ... Da soll sich ein deutscher Mensch aus¬ kennen, überhaupt unsereiner, wo wir in der Schule gar nichts Lateinisches lesen und schreiben gelernt haben ... Und der Franzl kann's — das Lateinische... Geh', laß ihn mit, Michel!“ „Von mir aus!“ In einem verhaltenen Jubelschrei hebt es mich von der Ofenbank. Der helle Neid strahlt aus den Augen meiner Geschwister, die noch nicht so gut la¬ teinisch lesen und schreiben können wie ich. Vor Tag und Tau klopft der Hiese einem Hakelstecken an das Stuben¬ mit Und dahin gehl's zum Tor und enster. hinaus— drei Wegstunden bis Dor „unserer“ Station, nach Regen. zu Draußen bei der Kapelle ziehen wir die Stiefel aus und tragen sie am Stecken die Schultern. über „Es wird nichts passieren ... mur¬ der Hiesel. nel In meiner Angst, den Hiesel könnte Vorhaben wieder gereuen, so daß das er zu Fuß nach Deggendorf ginge, erzähle ich ihm allerlei Räuber= und Schauer¬ geschichten, die an der Waldstraße ge¬ chehen sind und noch jeden Tag gesche¬ hen könnnen* „Es wird doch nichts passieren ... seufzte der Hiesel wieder. Ich gebe keine Antwort mehr. Denn von weitem höre ich einen Pfiff, gerade wie damals in Deggendorf, als die Bahn aus dem Berge kroch, und ich setze mich in Trab ... „Was gibt's denn?“ polkert der Hiesel hinterdrein. „Die Eisenbahn!“ bescheide ich. si „Lauf, sonst versäumen wir den Zug! „Keinen Schritt geh'ich mehr weiter“ agt der Hiesel. „Lauf zu, ich kehr' um Ich setz' mein Leben nicht aufs Spiel ... Ich nicht!“ Heiligen Zornes voll rufe ich zurück: „Kehr' nur um! Ich geh’ nicht mit! Und ich fahr' mit dem Zug! Mein Vater er¬
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