Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

42 der Wettertür und prüft das blaue Licht der in den Gängen verteilten Notlampen Oben in der Steigerstube sitzt Ober¬ steiger Schrader am Diensttisch und re¬ vidiert die Schichtlisten für die nächsten Tage. In einer halben Stunde ist es zwölf Uhr, und sein Dienst ist dann für heute zu Ende. Sehnsuchtsvoll schweift sein Blick hinaus in den lachenden Sonnenschein eines prächtigen Himmel¬ fahrtstages. Arrrrrr das Telephon. „Hier Steigerstube — wer dort..? Herr Direktor selbst —jawohl Ah —ich habe alles nochmals nachsehen lassen, Kunwald ist durchaus zuverlässig. Wir können uns unbedingt auf ihn ver¬ lassen, Herr Direktor ... jawohl so eien Sie ohne Sorge ...! Ja (4 die der Kohlenstaub. ...2 ja ...— Stimme Schraders klingt unsicher und zögernd — „Der Kohlenstaub . . . nun ja, wenn Herr Direktor meinen, kann ich ja selber noch einmal einfahren und Jawohl, Herr nachsehen gehen. .... Direktor, ich werde einfahren.** Mit einer leise gemurmelten Ver¬ wünschung auf den Lippen hängt Schra¬ der das Hörrohr des Telephons wieder an und gibt von seinem Tisch aus dem Maschinenmeister ein Zeichen, daß dieser den Fahrstuhl für ihn zur Einfahrt bereit halten solle. Die Stollenuhr auf Strecke F. zeigt zwei Uhr vier Minuten. Obersteiger Schrader sieht prüfend nach dem grünen Licht der an der Stollen¬ decke hängenden Notlampe hinauf. Eine dumpfe, schwere Luft erfüllt den Stollen¬ gang, an dessen anderm Ende jetzt ein Grubenlicht auftaucht. Es kommt näher und näher, die zitternden Ringe seines Lichtkreises huschen über die blanken Schienen der Grubenbahn. Es ist ein Mann, der sich Schrader auf seinem Kontrollgang nähert.... Wenige Minuten später steht Kunwald vor seinem Vor¬ gesetzten. Von der dunklen Stollenwand heben sich die Schatten der beiden Männer ge¬ spenstisch ab. „Ich bin es, Kunwald. Der Direktor wollte durchaus, daß ich selber noch ein¬ mal revidieren gehen sollte. Entsetzlich, diese Luft hier unten. ...! Der Kohlen¬ taub beizt einem förmlich die Kehle aus. Haben Sie etwas Besonderes zu melden?“ „Auf Förderbühne E. funktioniert die zweite Drehscheibe nicht mehr, auch ist Schwadengefahr vorhanden, Herr Ober¬ steiger! „Wirklich. ... Das müßte ich sofort melden. ... Da zuckt plötzlich im Gang ein fahler Lichtschein auf, wie Wetterleuchten. ... Dann blitzt es zum zweiten Male.*** Schrader verstummt in seiner Rede, sein blasses Gesicht ist noch bleicher ge¬ worden. Mit bestürzter Miene blickt Kun¬ wald seinen Vorgesetzten an. „Was war das? . .. Die Schwaden C ** brennen. (0 „Himmel ... Es blitzt wieder, zwei=, dreimal hintereinander. Dumpfe Erschütterungen begleiten die Lichterscheinungen. Schlagende Wetter ...! Setzen Sie die Alarm¬ „Schnell — glocken in Bewegung!“ Schrill gellt das Glockensignal der Signalanlage durch die Stollen. Schlagende Wetter. . .. Rette sich — wer kann! Wie von Furien gejagt stürzen die beiden Männer den Stollengang vor, hinter ihnen her rast der Tod auf feu¬ rigen Schwaden und streckt seine Flammen¬ hand aus nach allem, was ihm im Wege wer kann! Die Not¬ ist. Rette sich — ampen sind jetzt auf rotes Licht einge¬ tellt, das Signal für „Schlagende Wetter und „Lebensgefahr“ Aus den Gängen heraus jagen die Leute, mit dem Schichtmesser schneidet Kunwald die Sicherungsplomben der Wettertür auf. Schrader almet schwer. Der beizende Kohlenstaub legt sich ihm auf die Lungen, sein Herz klopft ihm bis zum Hals herauf, er schreit seine Befehle durcheinander. Die Bergleute hören nicht auf ihn, sondern drängen sich durch die

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