werde es beim Lever Seiner Majestät unter¬ breiten.. „Mein Befehl lautet —diese Mappe abzugeben, in der das Brieflein ruht! Nur König August Poniatowski besitzt das Gold¬ schlüsselchen zur Mappe!“ „Ach so, ich verstehe! — Daß das kaiserliche Liebesgeflüster nicht in unrechte Hände gerät; beruhigen Sie sich, ich werde Und nun die Mappe selbst übergeben! Herr Kurier, können getrost in den Gast¬ zimmern des Schlosses Ihren äußern und innern Menschen pflegen!“ Der junge, blonde, riesige Russe ver¬ schwand nach tiefer Verbeugung. Der Kammerherr, Peter von Orlowski trug aber die Mappe zuerst in sein eigenes Gemach, wo er sie vorsichtig auf den mit zarten Andenken überladenen Schreibtisch niederlegte. Der Kammerherr schloß rasch die Türen seines Zimmers ab und schol auch noch die Riegel vor. Dann entnahm er dem Geheimfach seines Schreibtisches ein Bündel mit feinen Nachschlüsseln. Hastig probierte er die Schlüssel in dem kleinen Schloß der Briefmappe. Mit einem befrie¬ digten Lächeln spürte er endlich, daß das Schloß nachgab — der Kammerherr ent¬ nahm den Brief, der schon in der Aufschrift die großen energischen Schriftzüge der Kai¬ serin Katharina zeigte, der Mappe. Nun galt es, den Brief vorsichtig zu öffnen, aber Kammerherr Orlowski hat alles zur Stelle, einen haarfeinen und doch scharfen Brief¬ öffner, dasselbe Wachs, mit dem die große Kaiserin ihre Briefe siegelte. Damit konnte er die Siegel, nachdem er sie abgelöst, wieder befestigen. Rasch öffnete er den Brief: „Mon bien aimé“ las er, „wie lang bleibst Du deinem Täubchen, Deiner kleinen Katinka ferne? Eile doch endlich in meine Arme. „Hahaha! Sehr gut!“ lachte der Kammerherr. „Auf Ehre, sehr gut! Er gab sich gar nicht die Mühe, den Brief zu Ende zu lesen, sondern steckte ihn rasch in seine Hülle zurück, die Siegel mit dem Wachs befestigend. „Also Ihre Majestät wünscht unser schleunigstes Kommen. Ahl daraus wird nichts! —Kaum haben wir uns be¬ haglich hier in Warschau eingelebt, sollen wir schon wieder an den Hof der großen 107 Katharina. Wir wollen ein bißchen das Prävenire spielen und die kleine Billinska eifersüchtig machen!“ Der Kammerherr verließ sein Zimmer, nachdem er die Spuren seiner Tätigkeit sorgfältig verborgen hatte. Die Mappe aus St. Petersburg nahm er mit sich. Im langen Korridore begegnete er einem Lakai: „He holla, mein Guter, lauf rasch zum Hoffräulein Jadwiga von Billinska und frage, ob ich trotz der frühen Morgen¬ stunde in einer wichtigen Angelegenheit empfangen werden kann! Der Lakai eilte davon, und der Kam¬ merherr warf sich in einen der großen, roten Damastlehnstühle, die im Korridore standen, um in Ergebung auf den Bedienten zu warlen. In viel kürzerer Zeit, als Orlowski erwartet hatte, war der Diener zurück. „Das gnädige Fräulein erwartet den Herrn von Orlowski! „Bon, begeben wir uns zu Fräulein von Billinska!“ Der Kammerherr durchschritt eiligst den Korridor, dann mehrere düstere Gänge, bis er endlich vor einer Zimmertüre stehen blieb und leise anklopfte. „Entrez!“ rief eine zarte Damenstimme. Mit tiefer Verbeugung öffnete der Kammerherr die Türe: „Guten Morgen, Schönste der Schönen, wie haben wir ge¬ ruht nach dem gestrigen Tänzchen? „Danke, sehr gut, Herr von Orlowski, wasbringen Sie mir Neues?“ Es war ein wunderschönes, junges Mädchen, das dem Eintretenden diese Worte neugierig entgegen rief. „Ihnen, dem hochwohlgeborenen Hof¬ räulein Jadwiga von Billinska, bring' ich aber hier in dieser gar nichts Neues Mappe, die eben ein Kurier aus Sankt Petersburg brachte — dürften Neuigkeiten enthalten sein!“ „Ach, sagen Sie rasch, Liebster, Bester, was für Neuigkeiten?“ Der Kammerherr zuckte vielsagend die bin nicht allwissend. Achseln. „Bedaure, ich Das Brieflein ist von Ihrer Majestät der Kaiserin Katharina II. an den König Sta¬ nislaus August Poniatowski gerichtet. Ich
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