Lukrezia mußte lachen. Die Art, wie ihr Michl Lob und Anerkennung scherz¬ haft in die Form des Tadels gekleidet spendete, war so köstlich, daß sie sich versucht fühlte, ihre Antwort ähnlich zu fassen. Sie sann ein Weilchen nach, abe es wollte ihr nichts Rechtes einfallen. „Nun gut, ich bin es auch zufrieden und will also recht ungeschäftlich sein.“ Damit sprang sie zum kleinen Schreibtisch, löste von einem Schreibblock zwei Blättchen und krißelte eiligst etwas drauf. Dann trat sie vor Michl hin und hielt ihm ihre kleinen Fäuste entgegen: „So jetzt ent¬ scheide du selbst, was ich dem Karl zun Geburtstag schenken soll! Rechts oden K ∆ links 7 Michl war ganz verwirrt, leicht tappte er nach Lukrezias rechter Hand und ein Zettel fiel zu Boden. Er bückte sich darum und großes Staunen malte sich in seiner Zügen. „Zehntausend,“ stammelte er, dann blickte er seine Frau fragend an. „Ich wollte etwas ähnliches tun, aber zehn¬ tausend Kronen ... „Nein, so war es nicht gemeint, Michl, auf dem Zettel steht freilich nur „zehntausend“, aber wie ich schon unge¬ schäftlich bin, sind das bei mir zehn¬ tausend Gulden. Fürchtest du, daß ich damit wem verkürze? Im Glockengießer¬ haus gibts doch keine Kinder.“ Michl starrte noch immer auf den Zettel und war völlig sprachlos. Wohl¬ tätig, freigebig, diese Worte paßten hier nicht. Und handelte es sich auch nur um eine Summe, wie sie er nicht gegeber hätte, so groß, daß sich ein junger Kauf¬ mann damit eine ganz schöne Zukunf bauen konnte, so kam es in diesem Augen¬ blicke doch weniger auf die Größe der Schenkung an, als auf die Schenkung an sich. Lukrezia wußte doch schon längst wessen Kind Karl Steighuber war und trotzdem schenkte sie, wo Eifersucht tausend anderen Frauen das Geben verdorber hätte. Mit Tränen in den Augen umarmte er sein gutes Weib und dankte ihm, und Lukrezia fühlte seine heiße Freude, sein Glück und ihr selbst strahlten 99 die Augen; denn nun hatte sie ihn über¬ zeugt, der von ihr stets gemiedene Name traf auf keine Wunde mehr. Vom Pfarrturm schlug es acht Uhr und nach dem letzten Hammerschlage breitete die Kaiserglocke, mächtig rauschend wie ein Adler seine Schwingen, über alle Dächer Dingstadts ihre zaubervollen Wel¬ — len und der Glockengießer stand mit seiner Frau am Fenster, eng verschlungen wie der Epheu an der Mauer, beide überwältigt von der großen Stunde. Welch ein Zufall! Gerade in diese Stunde klang die seltene Kaiserglocke! Willig allem Irdischen entfliehend, hoben sich die enggepaarten Seelen mit dem Zauberklang der Glocke jubelnd in das Reich der Harmonie. Vorerst summend, immer lauter werdend, hob sich Lukrezias schöne Stimme. „Michl, reich' die Hand zum Bunde! Diese schöne Feierstunde, führ uns hin zu lichten Höh'n! Laß, was irdisch ist, entfliehen, uns'rer Freundschaft Harmonien dauern ewig fest und schön!“ — und nun fanden sich beide Stimmen zusammen: „Preis und Dank dem Weltenmeister, der die Herzen, der die Geister für ein ewig Wirken schuf! Licht und Recht und Tugend schaffen, durch der Wahrheil heil'ge Waffen, sei uns göttlicher Beruf! * * * Das Jahr 1917 war gekommen, aber der schon lang ersehnte Friede war weiter denn je. Immer grimmiger wurde die Wut der Feinde; zu Tausenden ver¬ bluteten die Helden und jeder Tag ver¬ schlang an Kriegsgerät, Metall und Eisen mehr, als selbst ein jahrelanger Krieg in früherer Zeit. — Doch immer erhoben ich für die Gefallenen noch unzählige neue, die Todgeweihten stellte der Aerzte Kunst wieder her und Ingenieure sannen Tag und Nacht, erschöpftes Gut durch anderes zu ersetzen, nur eines fehlte, das ich nicht finden, nicht ersetzen ließ, das längst verbraucht war, in dem nun Oede gähnte; der Feind nur hatte es in Menge: das unersetzliche Metall! 7*
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2