Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

Doch eh' er kehrt zum Friedensorte, jede von euch zuvor herbei, Komm Nehm seine Hand und sprech die Worte: verzeih'!“ „Schlaf in Frieden, Klapperhans Alle des Pfarrers Worte sagend, Kamen schüchtern nach der Reih' heran Eine nach der andern kam zagend, Die älteste, die Vroni, voran. „Haben alle von dem Gesinde Die Hand gereicht?“ frug der Pfarrer dann, Daß der Tote den Frieden finde Nein, — Frau Sali hat es nicht getan „Auch Ihr, Frau Sali, müßt bedenken“. Der Pfarrer zu ihr nun dringlich spricht, „Wollt Ihr dem Hans den Frieden schenken, Dann verweigert ihm die Rechte nicht!“ „Nie und nimmer in meinem Leben, Und wenn auch alle zu ihm hingeh'n, Werd' ich dem Hans die Rechte geben Und nie ihn um Verzeihung anfleh'n!“ „Warum nicht?“ frug der Pfarrer wieder, „Was hat Ihnen der hier angetan?“ Frau Sali schlug die Augen nieder Und sing dann laut zu erzählen an. „Nun weil Ihr wollt den Grund erfahren, So höret jetzt die Geschichte an Die sich zutrug vor vielen Jahren Wie ich berichte, und urteilt dann. In den Sohn eines reichen Bauern, Ward verliebt ein Mädchen, Engelgleich, Doch sollt sie das noch tief bedauern Denn sie war arm und er sehr reich. „Sie war nach Wunsch ihm zu Gefallen, Er schwur ihr ewige Lieb und treu, Als sie von Argwohn war befallen Ob er doch nicht seine Lieb bereu! „Sollt ich dir je die Treue brechen — Sollt mein Leib nicht verwesen verdorrt, Nur soll ich nie zu Staub zerbrechen Und nicht Ruhe finden hier und dort.“ „Doch beim Militär hat indessen Er auf den versproch'nen Ehering Und auf den grausen Schwur vergessen Und verließ treulos das arme Ding. So hatten beide jetzt Den ewigen Frieden Und alle sprachen tie „Herr, laß sie ruhen n Seiner Heirat war sehr im Wege, Ihre süße, unbequeme Last, Wenn ich die Note dir erlege „Wird's wohl genug sein für den Balast!“ „So sprach er barsch, als er gekommen Und vor der Heirat das Geld ihr gab; Doch die Reiche, die er genommen, Die schaufelte ihm ein frühes Grab. „Verarmt ward er des Todes Beute, Doch die er betrog so fürchterlich Verwahrt sein Sündengeld noch heute — die bin ich! Und diese Herr Pfarrer „Zwanzig Jahre lag er begraben dort, Zwanzig Jahr' hing er am Beinhaus Nimmermehr soll er Ruhe haben, fort! Ich verzeih ihm nicht, bringt ihn nur So sprach mit gramverzehrten Munde, Die Alte, die Hand erhoben laut Schaurig hört man die halbe Stunde Laut. Vom Turme schlagen — sonst keinen Sinnend begann der Pfarrer wieder, „So betet doch das Vaterunser: Frau Sali schlug die Augen nieder Und sprach bebend das Vaterunser. „Nun merket was ich Ihnen sage, Sprach drauf der Priester mit Geduld, „Seht, so betet ihr alle Tage Herr, vergib uns unsere Schuld! O „Seht, wie kann euch der Herr vergeben, Wenn Ihr selbst niemand vergeben wollt, Der Hans, der vor euch steht soeben Ist schuldig, dem Ihr vergeben sollt. Weinend, bebend, voll tiefster Rührung Schluchzend mit nun geändertem Sinn, Ging sie unter des Priesters Führung, Dann zu dem Knochengerüste hin. Und sprach: „Hans Bergschmied schlaf' in Frieden, — ich verzeihe dir In Ewigkeit Denn du, so lang vor mir geschieden, Verzeih auch du im Jenseits mir!“ Kaum waren die Worte gesprochen Stürzte das Skelett am Boden hin, Und Sali, zusammengebrochen. Lag plötzlich entseelt jetzt neben ihm gefunden zusammen, empfunden Frieden. Amen! L. 6irkinger. 93

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