Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

nestlosen kleinen Tierchen in dem Drang nach Anschmiegung und Zärtlichkeit sich ihr eigenes Neste erbauten und sich in dem fremden Hotel der fremden Sommerfrische energisch auf die festen Beinchen stellten. Die Fräuleins sanken zur bloßen Staffage herab. Ein Fräulein war dazu da, daß es einem die Serviette umband und abnahm, einen abends ins Bett legte und morgens in die Wanne steckte Li Das übrige besorgten Hansl und m allein. Lis reiche Garderobe blieb sic Hängekoffer. In Spielhöschen saß auf dem weißen Sandhaufen oder au Hansls Schaukelpferd. Der grüne Sports¬ wagen hat Platz für zwei. Die Hälfte der Schokolade, die auf Hansls Gesicht braune Flecke hinterließ, verschwand in Lis rosa Mäulchen. Zuweilen gab es Schlachten. Dann riß Hansl mit allen zehn Fingern an Lis Lockenbusch und Lis Sandalen fuhren wütend gegen Hansels zerkratzte braune Schienbeine. Gleich darauf wurde Frieden geschlossen. und beide kollerten einträchtig den weichen grünen Wiesenhang hinab. Wenn die Sonne über den Wald emporstieg und ihr Schein Lis Stubsnase streifte, uhr Lis aus dem Schlaf: „Hansl!“ Ein schwarzer Kopf zeigte sich hinter dem Gitter des weißen Kinderbettes in der offenen Tür. „Li!“ So begann der Tag. Hansls Fräulein versuchte, die Kinder ein Abendgebet zu lehren: „Lieber Gott behüte Papa und Mama. Amen. Hansls Augen wurden rund wie Räder. Brauchten Papa und Mama denn einen Schutz? Die waren doch Erwachsene die „ins Geschäft“ gingen und abende er mit dem Auto wegfuhren. Nein lachte und legte die Arme um Li. Und Li sprach: „Lieber Dotk, besütze Hansl. Amen. Pflichtgemäß schrieben beide Fräulein, daß ihre Pflegebefohlenen gesund und artig wären und den lieben Eltern Küsse schicken. Hin und wieder kam eine bunte Ansichtskarte zurück. Hansls Eltern saßen im Büro, Lis Mama weilte in einem vornehmen Seebad. Einmal kam ein Paket mit einer Marzipanpuppe für Li, der Hansl □ 91 ogleich den Kopf abbiß, bald darauf ein Hampelmann für Hanst, dem Li chleunigst ein Bein ausrenkte. Die Tage wurden kürzer, die Blätter gelber. Längst ein Lodenwämslein chon trug Hansl äckchen. Die beiden und Li eln Strick Blicke: „Morgen!“ Fräuleins tauschten tand darin zu lesen. Den nächsten Tag traten ein Herr und eine Dame in Hansls Zimmer, der sie, den Daumen in den Mund, be¬ troffen ansah. Um Li wogte eine sanfte Wolke Parfüm, die schöne Mama wirbelte sie lachend herum und trug sie elbst, ohne sich auch nur umzublicken, ins Auto hinab, das unten pustete. Hänge¬ koffer und Fräulein folgten nach. Der Regen prasselte gegen die geschlossenen Scheiben. Erst im Wagen kam Li richtig * zur Besinnung. „Hansl!“ rief sie, „Hansl!“ Er kommt nach“ tröstete Mama mit „wen einer kleinen Unmutsfalte — meint sie denn, Fräulein? Das Fräulein schwieg diplomatisch. „Hansl!“ „Aber Fräulein, Sieschrieben doch stets, Li wäre C0 so artig, was ist das für ein Eigensinn? Das Hüpfen und Rauchen des Autosüber¬ könte Li, die jetzt mit den Füßen stram¬ pelte, nach Mama und Fräulein stieß und wirklich bodenlos ungezogen schrie. Oben, in den vom Aufbruch zer¬ störten Zimmern, bereits in Mantel und Kapuze, schlich Hansl hinter Lis Bett! „Li?“ hatte sie sich versteckt? Er blickte in den offenen Schrank. Eine plötzliche Angst schnürte ihm die Kehle zu. „Was hat er denn — er ist ja ganz blaß?“ fragte sein Vater. „Ach, er hat manchmal mit der Kleinen nebenan gespielt“, er¬ widerte das Fräulein leichthin. „Aber Fräulein, ich hatte Sie doch gebeten, Hanst von anderen Kindern fern zu halten 4 wegen Unarten, Krankheitsgefahr. agte Hansls Mutter mit leisem Vorwurf. Gewiß, gnädige Frau“, beeilte sich die Bonne zu entgegnen, „ich begreife auch nicht... In diesem Augenblick warf Hansl sich auf den Fußboden, und sein ganzer kleiner Körper zuckte vor Schluchzen: „Lil Lil Lil“ Ein Kinderparadies versank.

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