Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

60 wird, desto mehr sinkt das Schlafbedürfnis ab, um sich bei vielen für Jahrzehnte auf 8—9 Stunden einzustellen, während es sich im Greisenalter noch weiter ver¬ ringert. Die Alten kommen häufig mil 4—5 Stunden Schlaf vollständig aus. Wenn große Männer 21 — sie selbst oder ihre Biographen — als Zeichen ihrer Leistungsfähigkeit angeben, sie hätten jahrelang nur 3—4 Stunden des Nachte geschlafen, dann wird sehr häufig die Zeit am Tage, die sie noch schlafend verbracht haben, außer acht gelassen. Bei bleichen, blutarmen und aufgeschwemmten Menschen pflegt das Schlafbedürfnis größer zu sein, als bei elastischen, kräf¬ tigen Personen mit gut durchbluteten, rosigen Wangen, wobei jedoch zu be¬ rücksichtigen ist, daß Schlaf und Schlaf nicht immer das gleiche ist. Eine Reihe von behäbigen, bequemen Menschen fröhnt dem Luxusschlaf; diese Glücklichen pflegen zehn und mehr Stunden täglich in Morpheus Armen zu verbringen und werden sehr unangenehm, wenn man ie eine Viertelstunde zu früh weckt. Im Winter wird im allgemeinen länger ge¬ schlafen als im Sommer; so ruhen die Bauern in der kalten Jahreszeit ast doppelt so lang als im Sommer. Wenn oben gesagt wurde, daß Schlaf und Schlaf nicht immer dasselbe sei, so ist dabei die Schlaftiefe berück¬ sichtigt worden. Wir müssen hier zwei Kategorien von Schläfern unterscheiden. Die einen schlafen schnell ein, erreichen bald die größte Schlaftiefe, die 1—2 Stunden anhält, um dann immer flachen und flacher zu werden, bis die Menschen des Morgens erquickt und frisch erwachen. Das sind die normalen gesunden Schläfer Anders die zweite Kategorie— die der Nervösen und Psychopathen, die längere Zeit wach liegen, bis sie einschlafen; erst spät und nach mehreren Stundensetzt die größte Schlaftiefe ein, vielfacherst gegen Morgen, so daß sie müde und unfrisch ihr Tagewerk beginnen müssen Entsprechend diesen Unterschieden finden wir bei den Erstgenannten des Morgens Frische und Arbeitslust, des Abends Müdigkeit; während die Nervösen morgendliche Müdigkeit und Unlust, dafür aber des Abends Angeregtheit und Leistungsfähigkeit aufweisen. Für das Zustandekommen der Schlaftiefe sind auch äußere Umstände maßgebend; leichter und ungestört wird ie erreicht, wenn ein dunkles, möglichst fern von Geräuschen gelegenes Zimmer zum Schlafen benutt wird; obwohl, wie der Weltkrieg bewiesen hat, auch starke Reize nicht den Schlaf zu verscheuchen brauchen. Es gibt auch Menschen, die des Nachts ungenügend schlafen und dafür während des Nachmittagsschlafes die ihnen nachts versagte Schlaftiefe inden. Bei solchen Personen dauert es dann gewöhnlich sehr lange, bis sie überhaupt „wach zu kriegen“ sind, bis ie ihre Schlaftrunkenheit überwunden haben. Ob ein Mensch genügend lange und ausreichend tief schläft, darüber gibt in erster Linie seine Leistungsfähigkeit und seine Frische Aufschluß. Dauernde völlige Schlafentziehung führt zum Tode; eine in China vielfach angewandte Art der Todesstrafe beruht auf dieser Methode. Die Folgen einer schlaflosen Nacht sind bei den einzelnen Menschen sehr verschieden; bei nervösen Personen treten als Nachwirkungen meist benommener Kopf, schlechte Stimmung erschwerter Gedankenablauf und erhöhte Reizbarkeit auf. Auch über subjektive Herzbeschwerden wird häufig geklagt. Unter den eigentlichen Schlafstörun¬ gen sind zunächst diejenigen zu nennen die bei geistig gesunden Menschen durch Gemütserregung hervorgerufen werden. Auf ein paar Stunden Schlaf folgen Erwachen und Unmöglichkeit wieder einzuschlafen, da eine Fülle von unlust¬ betonten Gedanken auf den Erwachten einstürmen. Auch bei gesunden Menschen, die sich sonst eines guten Schlafes er¬ freuen, kann ein einmaliges unangenehmes Erlebnis die Nachtruhe stören; sie liegen dann wach und führen in Gedanken heftige Auseinandersetzungen mit un¬ liebsamen Personen, streiten mit Vorge¬ setzten, verfassen Briefe an Behörden usw.

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