Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

58 Kräfte Wolfgangs waren nicht mehr dieverweigern. Wochenlang hatte der Haus¬ alten. Seit Jahren schon klagte er über arzt die Weiterarbeit verboten. Seit Kopfschmerz und Schwäche. In Prag gestern aber, nachdem auch Dr. Salaba war er mitten im Freudentrubel der als Beirat sein Einverständnis gegeben Krönungstage zusammengebrochen; die hatte, war Mozart alles erlaubt. „Geben's erste Leitung der Zauberflöte hatte er ihm ruhig die Blätter, hatte der Arzt kaum zu Ende gebracht, so mächtig gesagt, „das bisserl Arbeit kann ihm hatten die Wunderklänge des eigenen nix schaden.“ Herzens sein Inneres durchwühlt. Und Auf einen freundlichen Wink Kon¬ erst die Arbeit am Requiem! Immer des tanzes kroch Mozarts Schüler Süßmayr, der all die Zeit in einem Winkel ge¬ Nachts, manchmal sogar bis an den grauen Morgen! Sollte sie wirklich die essen und immerfort den schwerkranken letzte sein? Sollte die Messe sein eigenes Meister betrachtet hatte, aus seiner Totenlied werden, wie er den Freunden Schattenecke hervor und legte die halb noch heute morgen von der mühsamund ganz beschriebenen Blätter vor die versuchten und dann unter Schmerzen immer taktierenden Finger. noch abgebrochenen Probe gesagt hatte? Wie „Bitt schön, das Lacrymosa, Sü߬ schauerlich war doch das alles! Niemandmayr ...“ von ihnen wußte zu sagen, wer dieses Nun hielt er den Engelsgesang in Werk in Auftrag gegeben hatte. Nur den Händen. Gleich einem Trauer¬ jener Graue, den sie eben mit knapper marsch zogen die Töne in ihrem selt¬ Not von der Schwelle gewiesen, hatte am rückenden Schritt an des Meisters den Handel geleitet. Einen Grabgesang Seele vorbei. Und plötzlich begannen die wollte er haben, für wen, zu welchemLippen lebendig zu werden. Ganz leise Anlaß, das konnte keiner erfahren. Der versuchte Mozart die Worte des uralten Graue hatte die zaghaft gefordertenTextes zu pfalmodieren: „Lacrymosa dies fünfzig Dukaten am Tag nach dem erstenilla... Er neigte traurig das Haupt. Gespräch auf den Tisch gezählt; dieDachte er an sein nun verrinnendes gleiche Summe wurde für das vollendeteLeben? An die tränenvollen Tage, die Werk in Aussicht gestellt. Doch langsamder Himmel dem unter Tausenden Be¬ nur rückte die Schöpfung voran. Die gnadeten aufgebürdet hatte? An den sonst so leicht aus dem Vollen schaffende unerbitterlichen Kampf mit der welschen Feder stockte bei jedem Motiv, vor jedemKabale, an des gnädigsten Kaisers Ab¬ herandrängenden neuen Gedanken, als neigung vor deutscher Musik, an die wollte der Meister das Fertigwerden Verständnislosigkeit seiner doch so ge¬ verzögern. „s'ist ja mein eigenes Grab¬liebten Wiener? Die Stimme mühte sich lied, Stanzerl, da geht es nicht so frischkrampfhaft weiter. Sie preßte sich förm¬ von der Hand.“ Dabei hatte Mozart so lich durch den Text, bis jene erschütternde schmerzlich gelächelt. Und in den tiefen, Fortestelle erreicht war, aus der die schuld¬ schönen Augen hatte es feucht geschimmert, beladene Seele zu Gott schreit. „Homo man hätte meinen können, verhaltene reus... parce deus“ hörten die beiden Tränen flössen immer nach innen auf neben dem Lager. Dann brach die seingrenzenlos gütiges Herz. Stimme in heißem Schluchzen ab. Der Kranke regte sich leise. Die Konstanze hatte die plötzlich erstarrten wachsgelben Finger mühten sich unter Hände des Leidenden ergriffen und suchte den Decken hervor und begannen zu sie mit der Glut ihrer achtundzwanzig hämmern. „Du Stanzi!“ Jahre zu erwärmen. O, dieses harte, Konstanze löste den Kopf von seiner grausame Leben, dieses noch viel grau¬ Wange. samere Sterben! Da lag der Geliebte in ( „Das Requiem bitk' schön ...“ seiner zerstörten Jugend und strebte fort Es lag kein Grund vor, es ihm zu von ihr und den Kindern, weg von der

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2