48 Mädchengestalt federte dem Vater ent¬ gegen. Sie sprang an ihm empor und küßte ihn überschwenglich. Hans sah ihr in die leuchtenden Augen. Diese Augen gemahnten ihn immer an seine Frau, die irgendwo im Pommerschen begraben lag. Aber das andere schwemmte diese Erinnerung hinweg. „Wo ist Julie?“ fragte er hastig dasKind „Im Wald. Neues Mißtrauen stieg in Hans auf. Er sah auf die Schar der Schlafenden blickte in den Wagen, vor dem das magere Pferd graste. Max, der Clown war nicht da ... Da ging Hans in den Wald. Leise, verstohlen schlich er zwischen den Büschen hin. Fieber trieb ihn vorwärts. Sein kochte. Blut Zwischen dem Grün der Büsche plötzlich ein roter Schein... das war Julies rotes Haar... auf dem die Abend¬ sonne lag. Auf allen Vieren kroch der Seil¬ er¬ tänzer näher. Er hörte flüstern * kannte Julies und des Clowns Stimme Und sah, als er ihnen auf hundert Schritte nahe gekommen war, die Ge¬ liebte in den Armen des Andern. Er biß sich auf die Lippen, um seinen Schmerz nicht herauszuschreien. Seine Finger krallten sich in das Moos. Er stöhnte... und starrte doch wie ge¬ bannt dorthin, wo sein Glück zerschlagen lag** Unhörbar kroch er wieder zurück. Er trat unter die Anderen, als sei nichts geschehen. Und als nachher Julie ihm entgegentrat, sprach er mit ihr von gleich¬ gültigen Dingen. Nur Else, sein Kind, betrachtete an diesem Tage oftmals den Vater. Sein starres Gesicht flößte ihr Furcht ein. Und es geschah manchmal, daß sie zu ihm kam und seine Hand ergriff. Dann sah er sie mit seinem Blick an, als kenne er sein Kind nicht mehr. * * * Auf dem Marktplatz der kleinen Stadt hatten sie die ärmliche Bühne auf¬ geschlagen. Hoch in der Luft hing das Seil. Schon zur ersten Vorstellung hatten sich viele Schaulustige eingefunden, die begeistert den Darbietungen der Zirkus¬ leute folgten. Am meisten bewunderten sie Hans und die rote Julie, die, einzeln oder zusammen, sich auf dem Seil pro¬ duzierten. Nach dem Abendessen saß die rote Julie vor dem Wagen. Else, des Seil¬ tänzers Kind, kam zu ihr. „Julie, ich möchte so gern wieder einmal aufs Seil!“ Die rote Julie blickte zur Seite, dorthin, wo eine Zigarette rauchend, der Clown saß. „Du weißt, daß der Vater es seit demTode deiner Mutter nicht mehr duldet!“ erwiderte sie barsch. Das Mädchen ließ sich nicht ab¬ weisen. „Aber ich möchte doch wieder ein¬ mal hinauf! Früher habe ich es so gerne getan!Und ich sehne mich so danach! „Es geht nicht!“ Ein Leuchten kam in des Kindes Augen. „Wie schön ist es, wenn man droben feht. die Leute sind tief unten und man hört hre Stimmen nur von weitem... Die rote Julie nestelte an dem Tuch, das sie kokett um ihre Haare Sie schwieg. trug. Laß mich morgen für dich tanzen!“ bettelte das Kind. „Dein Vater erlaubt es nicht!“ kam es ungeduldig zurück. Wenn nur die Kleine endlich ginge. Sehnsüchtig blickte Julie zum Clown hinüber. Ein blitzen in den Kinderaugen. „Weißt du, wie wir es machen? Wenn Vater sich die Augen verbinden läßt, um dir droben entgegenzugehen, leige ich rasch an deiner statt aufs Seil. Und wenn ich dann vor ihm stehe und er mich an der Stimme erkennt, wird er sich sicher freuen. Meinst du nicht auch?
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2