Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

46 Wollt Ihr euren Sohn zum Sklaven, euren Hof zum Gößen machen, dem der Junge in Furcht und Zwang alle seine heimlichen und brennenden Wünsche zum Opfer bringen muß?“ FWer die väterliche Erde ackert hat nie schlecht daran getan. „Ich sage euch, Herr Lehrer, laßt ihn nur einmal feststehen auf seiner Erde und Ihr werdet sehen, daß er wächst und reift wie schwere Roggensaat!“ Ich wünsche es Euch von Herzen. Bauer!“ sagte der Lehrer, „aber ich fürchte, der erste Platzregen schon wirft die Saat zu Boden, daß sie nicht wie der aufsteht!“ Des Nachmittags ackerten Vater und Sohn zusammen am Rotberge und auf benachbarte Aecker. Schnurgerade schnitt der Alte die Mittelfurche in den Acker. Er handhabte den Pflug so leicht, als sei die Arbeit nur ein Spiel. Dabei sah er auf den Nachbarstreifen, wo sein Sohn hinter dem Pflug schritt. Der hiell das Ziel nicht recht im Auge, die Furche machte einen bedenklichen Bogen. Er¬ schrocken hatte es der Junge bemerkt und lenkte nach links. Da sprang den Pflug aus dem Geleise. Mit Hast setzte er ihn wieder ein und trieb das Pferd an. Und dabei fühlte er immer die scharfen Augen des Alten auf sich gerichtet. Die drohenden Worte von heute morgen lagen noch wie kreisende Unruhe in ihm; sie betäubte ihn, daß er nicht recht zu¬ — fassen und arbeiten konnte. Da, schon wieder glitt das Eisen flach über die kaum aufgerißte Ackerkrume hin. Er stieß es tief in die Schollen, daß der Braune sich plötzlich in die Stränge legen mußte. Da hörte er von der Seite einen harten Schritt. Der Vater stand vor ihm Er sah ihn an und die Furche. Und dann, er sprach kein Wort dabei, hol er die Hand und schlug die schwielige schwere Bauernfaust dem Jungen mitten ins. Gesicht. Der hat nicht aufgeschrien —kaum achtete er auf das Blut, das aus Mund und Nase stürzte. Er ließ Pflug und Pferde stehen und ging mit steilen Schritten vom Acker weg ins Dorf hinein! Der junge Haverkamp war ver¬ chwunden. Als der Bauer zum Abend nach Hause kam, hörte er, daß der Junge die Bücher und seine übrigen Habseligkeiten in eine Kiste gepackt und damit vom Hofe gegangen sei; wohin, wußte man nicht. .Der Bauer kniff die schmalen Lippen aufeinander und forschte nicht weiter. Als aber dann Wochen vergingen und keine Kunde von dem entflohenen Burschen kam, stellte der Bauer den Lehrer. Wie ein zufälliges Zusammentreffen sollte es aussehen — aber der Lehrer durchschaute den Alten. Der Bauer sah den Lehrer mit bösen, fragenden und gebielenden Augen an. Die Frage war kurz, aber die Augen heischten drohend Antwort. „Wo ist mein Junge?“ „Wer will sagen,“ antwortete der Lehrer, „wohin der Sturm ein Blatt weht, das heute vom Baum fällt“. Aber und nun sah auch er den Bauer be¬ deutungsvoll an — ich glaube, daß es ihm gut gehen wird. Er ist von gesundem Stamme, er wird seinen Weg schon gehen. Er schwieg, daß er für den Jungen wohl gesorgt und ihn in einem Lehrer¬ eminar untergebracht hatte. Doch der Bauer wußte genug! Er hat nie wieder nach seinem Sohn ge¬ fragt. Jahre gingen hin, 20 Jahre wohl der Bauer war alt und hinfällig ge¬ worden. Er konnte dem Hofe nicht mehr vorstehen. Da hatte er einen Pächter hineingesetzt. Verkauft doch den Hof, rieten ihm eine Nachbarn. Der alte Bauer kam mit diesem Rat zu seinem Lehrer, der nun aber schon lange pensioniert war und sah ihn abermals an. „Das ist kein Erbe“, sagte er bitter, „was soll ich tun? „Ich denke, ein Bauer soll nicht auf fremder Erde sterben?“ antwortete der Lehrer, „und er soll auch nicht dem

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