Schiller auf sich und sein gutes Glück angewiesen. Nach einigen Stunden verließ ich mit Körner und meiner Schwester den Redoutensaal, und wir fuhren nach Haus. Schiller und Huber blieben noch da, und von letzterem erfuhr ich, daß Freund Schiller von der Maskenfreiheit sehr un¬ genierten Gebrauch und eine ihm sehr zusagende Bekanntschaft gemacht habe. Auf diesem Maskenballe befand sich Frau von Arnim, Gardedame der Hofdamen mit ihren drei Töchtern, von denen die zweite für ausgezeichnet schön und kokett galt. Sie hatte die Maske einer Zigeunerin gewählt; dies gab ihr die Freiheit, einem jeden ihre Künste und Dienste als Wahrsagerin anzubieten Sobald Frau v. Arnim davon Kenntnis erhalten hatte, daß Schiller, der berühmte Dichter der „Räuber“, sich gegenwärtig befinde, veranlaßte sie ihre schöne Tochter Natalie (Henriette), ihm allerhand schmei¬ chelhafte Prophezeiungen zu sagen. Schille nahm dies sehr wohl auf und blieb die ganze Ballnacht hindurch ihr unzertrenn¬ licher Gefährte ... Selbst in Weinmar noch, als er sich bereits ganz in die gran¬ diöse Einsamkeit seiner heroischen Ideen¬ welt eingesponnen hatte, ließ er sich noch zu einem solchen „Jubeltag“ verlocken und folgte bisweilen der Einladung zu Maskeraden, wie sie ihm von seinen jungen Freunden, etwa dem jüngeren Voß, zuteil wurden. Voß hat sich denn auch dieses Bild Schillers auf der Redoute besonders lebendig eingeprägt, und in seinen Briefen und Erinnerungen komm er immer wieder darauf zurück, wie unendlich liebenswürdig und überirdisch heiter der große Mann hier war. Ein Jahr vor seinem Tode waren sie das letzte Mal so ausgelassen fröhlich zu¬ sammen. Schiller war mit seiner Frau da, aber er suchte sich bald ein gemüt¬ liches Platzchen aus, das „mit neuen Cham¬ pagnerflaschen, Rotem und Weißem, be¬ pflanzt“ war. „Die Schillern“ wollte schließlich nach Hause gehen und schickte nacheinander drei Abgesandte an ihren Mann. „Das stand aber dem Schiller gar nicht an; er sagte bei der letzten 37 Botschaft: „Man will mich durchaus fort haben, aber man soll durchaus seinen Willen nicht haben.“ Da haben wir zu¬ sammen gesessen bis gegen drei Uhr, um unseren Trinkkönig herum, den herrlichen Schiller. Du glaubst nicht und kannst es auch gar nicht begreifen, wie liebenswürdig der Mann war . .. Denke dir, wir tranken unsere neun Flaschen richtig aus, schwelgten in Wonne. Ich wollte, daß ich dir eine gewisse Miene von Schiller beschreiben könnte, die ihm in herzlichen Augenblicken eigentümlich ist und den Abend gar nicht verließ. Ein eigenes Gemisch von Schalk¬ haftigkeit, Wohlwollen und das mil unendlicher Anmut verbunden. Doch wer beschreibt so etwas. Um drei Uhr gingen wir nach Hause, und ich war Schillers, oder wenn du willst, er mein Führer Denn als die kalte Luft uns aublies, hatten wir beide einen nötig. Mit Freude dachte Schiller an diesen letzten ausge¬ lassenen Abend, „der ihn ganz in seine Jugendjahre vesetzt habe“. Noch in den chweren Anfällen seiner Krankheit, die ihn kurz vor seinem Tode ans Lager esselten, schwebte ihm die Erinnerung an o manche Redoute vor, die er mit seinem getreuen Pfleger Voß zusammen verlebt hatte. Eines Tages wollte er Voß durchaus nicht erlauben, um neun Uhr wiederzu¬ kommen und die Nacht bei ihm zu wachen. Ich wußte nicht warum. Endlich erfuhr ich, es sei Maskerade, und Schiller wollte mir, dem fleißigen Maskeraden¬ gänger, nicht die Freude rauben. Diese Liebe rührte mich zu Tränen. „Mein bester Hofrat“, sagt ich, „Sie wissen nicht, welch ein Vergnügen es für mich ist, bei Ihnen zu wachen.“ Als er nun meinen Vorsatz sah, nicht auf die Redoute zu gehen, reichte er mir freundlich die Hand, und ich durfte bei ihm bleiben. Nun fing er wieder an zu scherzen. „Sie hätten; agte er, „nur auf die Maskerade gehen ollen, vielleicht wäre ich Ihnen nach¬ geschlichen“; worauf er nach einer kleinen Pause lächelnd hinzufügte: „nicht wahr, dann würden Sie doch erschrecken und glauben, ich sei gestorben, und es wäre mein Geist, der Sie heimsuchte?“
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