104 hatte eine prächtige Gemse geschossen und eben sich und das Tier vor dem Försten in Sicherheit gebracht. Er setzte sich auf da streifte seine Hand den Gemsbock an seiner Seite, ein prächtiges Tier, auf¬ gebrochen und mit Tannenreisig gefüllt, ganz waidmännisch. Es mußte also doch wahr sein? Seine Hand erwischte nun auch die daneben liegende Gesichtsmaske und mechanisch, ganz schlaftrunken noch etzte er sie auf. Seine halbgeschlossenen Augen erblickten nun auch den Kugel¬ stutzen, ein prächtiges Gewehr, das vom Loisl. Immer noch im halben Traum¬ zustande kniete er an seinem Platze nieder und brachte das Gewehr in Anschlag. Es paßte gut in seine Achselhöhle. Wie oft hatte er früher beim Stammtisch wenn er Wilderergeschichten zum besten gab, mit den leeren Händen den Gewehr¬ anschlag markiert oder, wenn er mit seinen Freunden Ausflüge in der Nähe Wiens machte, war es seine Gepflogen¬ heit gewesen, plötzlich hinter einen Baum zu springen, den Sparzierstock wie ein Gewehr in Anschlag zu bringen und zu rufen: „Halt, der Förster!“ Der Macht der Gewohnheit folgend machte er es auch jetzt so, ohne sich in einem Dämmerzustande bewußt zu werden, daß er ein wirkliches Gewehn 74 * in seinen Händen hielt. „Halt, der Forster entfuhr es seinen Lippen, im selben Momente aber krachte ein Schuß, daß es nur so dröhnte und in den Felsen¬ wänden ein vielfaches Echo weckte. C Herr Zwischenbrücken wäre fast der Länge nach hingefallen vor Schrecken Sein Finger hatte nämlich ganz unab¬ sichtlich den Hahn berührt. Jetzt aber war er vollständig wach geworden. Dei elbst abgefeuerte Schuß hatte ihn erweckt. Er schüttelte gewaltsam die Schwere und Müdigkeit ab und wollte eben aufstehen, da rief eine Stimme: „Fehlgeschossen Das Gewehr weg, sag i, sonst pfeifts 144 und du hast das Blei zwischen die Rippen! Es war der Förster, der, vom Fels¬ steig kommend, eben noch hinter einem Baum Deckung gefunden hatte vor der ködlichen Kugel des vermeintlichen Wild¬ chützen. Entsetzt schaute Zwischenbrücken durch die schwarze Gesichtsmaskezu einem Gegenüber. Unheimlich und tod¬ bringend, dabei direkt auf sein Herz ge¬ richtet, starrte hinter dem Baume die Mündung eines Gewehres herüber. Da erfaßte er die Situation, warf das Gewehr von sich, hob die Hände hoch und rief flehentlich: „Herr Förster, Herr Förster, bitt eahner, nit schiaßen!“ „Gotklob, agte der Förster ernst, „daß dein An¬ chlag mißglückt is, du Lump!“ Er trat nun vollends hinter dem Baum hervor. Dem mutigen, unerschrockenen Waid¬ mann zitterten doch einwenig seine Jäger¬ beine, wenn er bedachte, wie knapp der Tod an ihm vorbeigegangen. In der einen Hand das Gewehr schußbereit haltend, schritt er auf Zwischenbrücken zu und riß ihm blitzschnell die Maske vom Gesicht. Er glaubte seinen Sinnen nit zu trauen. „Was, sie sans, Herr Zwischen¬ brücken?“ rief er erstaunt, „ja, da hörts sich ja do all's auf! Sie san der Wilderer, der uns alle fürn Narren halt? das hätt i mir nit trama lassen!“ „I bitk' ihna, Herr Förster,“ stam¬ melte der Zwiebruckner Sepp, an allen Gliedern schlotternd, „i bin unschuldig. „Das kann wohl nit guat mögli sein, sagte der Förster spöttisch, dabei trat er zur Vorsicht auf das am Boden liegende Gewehr, um dem vermeintlichen Wildschützen einen zweiten Anschlag un¬ möglich zu machen. „Alles spricht ja dafür: der Gamsbock, der Kugelstutzen. die Larven und vor allem der Angriff auf mi!“ „J. bitt eahner, Herr Förster,“ jammerte Zwischenbrücken, „so glaubens ma do, i hab nit gwildert, an Schaber¬ nack hams ma gspielt, i hab ja gschlafen und das Gewehr is ganz von selber losgangen. „Remans ma mit koane Märchen daher, Herr Zwischenbrücken, entgegnete der Förster ärgerlich, koa Mensch wird eahner das glauben. Übrigens wird die Untersuchung und das Gericht schon alles herausbringen. Gebens d' Händ jetzt aber, damit i eahner schliaßen kann.
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