Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

Jäger der angrenzenden Reviere mit seinen Schelmenstreichen in Atem. Erwischt hatte ihn noch keiner und sie sollten ihn auch nie erwischen — schwor er sich. Daß zu einer Heirat zwischen ihm und der Rosel vorläufig so gar keine Aussicht war— was hätte wohl der Vater, Gro߬ bauer, Nationalrat und Ehrenbürger vieler Gemeinden zu einem solchen Schwieger¬ sohn, einem armen Holzknecht und ver¬ rufenen Wilderer gesagt? das focht die beiden einstweilen sehr wenig an. Sie freuten sich ihrer Jugend und Liebe und die schlaue Rosel war nur darauf bedacht. daß die beiden Liebhaber wenigstens nicht in der Hütte zusammentrafen und nicht gegenseitig Verdacht schöpften. Heimlich plagte den Loisl aber doch die Eifersucht auf den Rasierer aus der Stadt. Dabei durfte er nichts von seinen Gefühlen merken lassen, um sichs bei der Rosel nicht zu verscherzen. Sie war ja ledig und frei und konnte als reiche Großbauerntochter zehn Verehrer an jedem Finger haben, wenn sie wollte. Und „au der Alm, da gibts ka Sünd . Die beiden Rivalen kamen oft unterwegs zusammen wenn Herr Zwischenbrücken wieder auf der Wilderersuche war. Der schneidige Kerl fiel Zwischenbrücken sofort auf und er redete ihn gleich das erstemal an und fragte ihn in erster Linie, ob er denn den Steiner Loisl nicht kenne und ihm seinen Aufenthalt verraten wolle. Auf alle diese Fragen gab der Loisl immer ausweichende Antworten und es fiel ihm garnicht ein, sich erkennen zu geben. Der Loisl dachte sich: wennst ein heller Kopf bist, find'st es schon selber heraus. Herr Zwischenbrücken kam aber nicht darauf, umsoweniger, als Loisl in seinem Außern allem eher als einem Wilderer glich Keine kecke Spielhahnfeder zierte seinen Hut, die Lederhose war nicht abgewetzt der Rock nicht zerschlissen, auch sein Gesicht nicht durch Bart und zoltige Haarsträhne verwildert und so hätte sich nämlich Zwischenbrücken den Steiner Loisl vorgestellt. Der aber ging adret und sauber, fein rasiert und gekämmt, schon der Rosel zu Gefallen. 101 Und Zwischenbrücken blieb gänzlich ahnungslos. Mittlerweile neigte sich der Sommer einem Ende zu. Da=und=dort rüsteten schon die Almer zur Talfahrt. Auch der Abtrieb von der Steffelbauernalm stand nahe bevor. „Einmal komm ich noch herauf, Rosel!“ hatte Herr Zwischen¬ brücken zu der schönen Sennerin gesagt, „und einmal riskier' ichs noch, ins Wilderergebiet zu fahren!“ Und so kam der Stadtbarbier richtig am Sonntag noch einmal herauf auf die Alm. Er brachte eine Menge gute, der Rosel selt¬ ame Sachen mit, auch ein paar Flaschen feurigen Weins und da wurde nun lustig Abschied gefeiert. Es dauerte lange und chließlich war es so spät oder eigentlich o früh geworden, daß sich ein Schlafen¬ gehen überhaupt nicht mehr auszahlte. Denn Herr Zwischenbrücken hatte etwas vor und mußte zeitlich früh hinaus in den Wald. Zu seiner unbändigen Freude hatte ihm nämlich Rosel verraten, daß am nächsten Tag Wilderer an der Arbeit ein würden. Ihr hatte es der Förster gesagt. Dieser hoffte, ein paar langgesuchte Wilderer morgen abzufassen und zwar in der Gegend der Hetzau und des Kaitzengrabens. So redete denn die Rosel dem „Zwiebruckner Sepp“ zu sich ja bestimmt in diese Gegend zu be¬ geben, um das grandiose Schauspiel nicht zu versäumen; er würde unbedingt auf ie stoßen, denn jemand habe es dem Förster gesteckt und ihre Schliche und Wege seien diesmal alle verraten! Diese Nachricht versetzte Herrn Zwischenbrücken in beste Laune. Sollte ein Herzenswunsch sich doch endlich er¬ üllen, sollte er doch noch wirklichen Wilderern gegenüberstehen, vielleicht gar Zeuge irgend eines tollkühnen Abenteuers werden? Diese Aussicht erleichterte ihm den Abschied von der Rosel bedeutend und frohen Mutes schritt er im Morgen¬ grauen in der angegebenen Richtung dahin. Durch seine häufigen Almgänge kannte er Weg und Steg genau und konnte nicht fehlgehen. Ein herrliches Vorgefühl künftiger Ereignisse schwellte

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